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Laudatio für Dipl.-Ing. Ehrenfried Middendorf
 
Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hermann Wolters auf der DMG-Jahrestagung in Bonn am 12. Okt. 2007 anlässlich der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Middendorf wurde 1940 in Allenstein geboren. Nach dem Abitur 1959 in Mainz studierte er Elektrotechnik mit dem Vertiefungsfach Regelungstechnik an der TH Darmstadt. 1965 trat er als Referendar bei der Deutschen Bundesbahn ein. Nach der 2. Staatsprüfung 1967 war er auf mehreren Positionen des Betriebsmaschinendienstes und des Bundesbahnzentralamtes (BZA) München beschäftigt. 1975 wurde er Dezernent in der elektrotechnischen Abteilung des BZA München. Hier war er zuständig für Starkstromanlagen, Netzersatzanlagen und Lichttechnik, bis er 1991 die Aufgaben der Bauartbetreuung der Elektrischen Lokomotiven übernahm. Herr Middendorf hat diese Aufgabe zunächst als Dezernent, dann in Personalunion auch als Leiter der Elektrotechnischen Abteilung und Hauptabteilungsleiter bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2000 über alle zwischenzeitlichen Organisationsänderungen hinweg wahrgenommen.

Der Zeitpunkt der Übernahme der Bauartbetreuung der elektrischen Lokomotiven Anfang der neunziger Jahre fiel zusammen mit der Notwendigkeit, die Einheitslokomotiven der Deutschen Bundesbahn aus den fünfziger und sechziger Jahren wegen zunehmender Störanfälligkeit und steigender Instandhaltungskosten zu ersetzen. Das Gleiche galt für die BR 103, die zwar jünger als die Einheitslokomotiven war, aber im IC-Verkehr weit über den ursprünglich geplanten Einsatz hinaus beansprucht worden war und im schnellen, schweren Personenfernverkehr vermehrt zu Störungen und Ausfällen neigte.

Dies führte zur Entwicklung und Beschaffung einer neuen Lokfamilie mit der in der BR 120 erprobten Drehstrom-Antriebstechnik. Herr Middendorf begleitete die Entwicklung und Beschaffung dieser neuen Lokomotiven bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand.

Die Aufgabe der Bauartbetreuung im Zentralamt der Bundesbahn bestand darin, die Erfahrung aus dem Betriebseinsatz der Lokomotiven bei der Bahn den Firmen zu vermitteln und dafür Sorge zu tragen, dass bewährte Komponenten zur Bewahrung der Einheitlichkeit und zur Erleichterung der Instandhaltung zum Einsatz kamen. Hierzu wurden von der Bahn detaillierte Lastenhefte für die neu zu entwickelnden Triebfahrzeuge, sehr oft mit verbindlichen Vorgaben für die Verwendung bestimmter Komponenten, erstellt. Dies war stets eine Gratwanderung zwischen dem Bewahren von Bekanntem und Bewährtem und der Übernahme von unbekannten neuen Entwicklungen.

Bei der anschließenden Entwicklung der getrennt vergebenen elektrischen Ausrüstung und des Mechanteils der Triebfahrzeuge übernahm das Bauartdezernat durch den obligaten „Gesehen”-Vermerk auf den wichtigsten Konstruktionszeichnungen und in zusätzlichen regelmäßigen Konstruktionsbesprechungen mit den entwickelnden Firmen zwar nicht formal, aber dennoch spürbar die Aufgaben eines Generalunternehmers.

Dies änderte sich Anfang der neunziger Jahre. Für die Beschaffung der neuen Lokomotiven mussten funktionale Lastenhefte erstellt werden. Der Auftrag wurde zudem nur einer Firma erteilt, die damit Generalunternehmer für das Zusammenführen der elektrischen Ausrüstung und des Mechanteils war. Aus heutiger Sicht ist dies längst Geschichte, zumal auch auf der Firmenseite durch Fusionen ganz andere Konstellationen geschaffen wurden. In der Umstellungsphase zu Beginn der neunziger Jahre war dies jedoch für beide Seiten mit mancherlei Problemen behaftet. Hinzu kam noch, dass bei der Bahn die funktionale Zuständigkeit für die Lokomotiven von der Traktion zu den die Lok einsetzenden Geschäftsbereichen verlagert wurde. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die ursprünglich von der Traktion verfolgte Entwicklung einer im Güterverkehr und im Personenverkehr einsetzbaren Universallokomotive aufgegeben werden musste zugunsten getrennter Entwicklungen für den Güterzugdienst und den Personenfernverkehr und später auch noch für den Personennahverkehr.

Es ist das Verdienst von Herrn Middendorf, dass er in dieser schwierigen Umbruchphase mit großer Umsicht und Sachverständnis in enger, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Industrie alle anstehenden Probleme lösen konnte. Er ist damit auf der Seite der Bahn derjenige, der für die Entwicklung einer neuen Lokfamilie verantwortlich war. Einer Lokfamilie, die mit den Baureihen 101, 152, 145, 146 und 185 nicht nur bei der DB AG zum Einsatz kommt, sondern auch bei Nachbarbahnen und privaten Einstellern. Diese neu entwickelten Triebfahrzeuge haben mit vielen technischen Neuheiten letztlich der Drehstrom-Antriebstechnik bei elektrischen Lokomotiven zum endgültigen Durchbruch verholfen. Sie haben inzwischen erfolgreich die Nachfolge der Einheitslokomotiven der DB aus den fünfziger und sechziger Jahre angetreten.

Herr Middendorf hat durch die Erarbeitung funktionaler Lastenhefte für die neu zu entwickelnden Baureihen, mit der Einführung von Life-Cycle-Cost-Betrachtungen bei der Bewertung der Angebotsunterlagen und mit der genauen Festschreibung des angebotenen Lieferumfangs in den Bestellunterlagen zwar nicht immer das ungetrübte Wohlwollen der Anbieter erworben, aber maßgeblich zur reibungslosen Inbetriebsetzung und zum erfolgreichen Einsatz der neuen Fahrzeuge beigetragen.

Wenn somit heute elektrische Lokomotiven mit Drehstrom-Antriebstechnik aus der in den neunziger Jahren entwickelten Lokfamilie das Bild bei den lokbespannten Zügen nicht nur der DB AG, sondern inzwischen auch bei vielen anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen prägen, so ist dies mit ein Verdienst von Herrn Middendorf. Hierfür wollen wir ihm mit dieser Ehrung danken.

Wir wünschen Ihnen, Herr Middendorf, für die Zukunft alles Gute und noch viele erlebnisreiche und erfreuliche Jahre.

 

 
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