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Laudatio für Dipl.-Ing. Günter Schultes
 
Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hermann Wolters auf der DMG-Jahrestagung in Würzburg am 7. Nov. 2008 anlässlich der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Bereich der Technik sind die großen Erfinder die Helden. Von der großen Schar derer, die aus den Erfindungen im zähen und hartnäckigem Einsatz im Berufsalltag, oft gegen die meist dem Bewährten verhafteten vorgesetzten Stellen, gebrauchsfähige und vor allem nützliche Anwendungen schaffen, ist viel zu wenig die Rede. Sie arbeiten meist im Stillen und, wie schon bemerkt, oft unter den kritischen Blicken der Vorgesetzten unter dem Verdacht, Zeit und Geld für unnütze Dinge zu verschwenden. Zu diesen Personen zählt ohne Zweifel der heute zu ehrende Günter Schultes.

Günter Schultes, 1938 in Wunsiedel geboren, beschloss nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU München zur Bahn zu gehen. Nachdem er 1966 nach der obligaten Referendarzeit das Assessorexamen bestanden hatte, führte ihn sein erster Einsatz in das Bundesbahnzentralamt München in das Dezernat für Betriebs- und Werkstättenangelegenheiten elektrischer Triebfahrzeuge. Es war in diesem Fall mehr als ein Zufall, es war ein echter Glücksfall, denn die Instandhaltung von Bahnfahrzeugen war neben einer kurzen seitlichen Arabeske im Starkstromdienst der Direktionen Augsburg und München die große Konstante im Berufsleben von Herrn Schultes. Bereits 1976, nach einem Einsatz als Leiter der Lokabteilung im Ausbesserungswerk München-Freimann, wurde Herr Schultes Dezernent in der Zentralstelle für das Werkstättenwesen in Mainz, zuständig für den Betrieb sowie die Pflege und Instandhaltung elektrischer Bauteile. Dieses Aufgabenfeld hat ihn bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr losgelassen. Der Name des Aufgabenfeldes änderte sich zwar hin und wieder, aber die Aufgabe blieb die gleiche. Bedeutsam war dabei vielleicht lediglich die spätere zusätzliche Heraushebung der Diagnose in der Instandhaltung.

Hier sei mir ein Einschub erlaubt, um die Bedeutung der Instandhaltung bei Bahnfahrzeugen deutlich zu machen. Bei der Bahn beträgt die Nutzungszeit der Fahrzeuge 30 bis 40 Jahre, und zumindest in der Vergangenheit, wenn das Geld zu Neuanschaffungen fehlte, auch mehr. Der Instandhaltungsaufwand in dieser Zeit ist sehr groß und kann durchaus als abgezinster Barwert die Anschaffungskosten weit übersteigen. Umso höher sind die Erfolge zu bewerten, mit denen die Instandhaltungskosten und vor allem die Ausfallzeiten für die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten minimiert werden. Wir erleben gerade ein Beispiel, was es für die Fahrzeugreserve bedeutet, wenn zeitaufwendige Wartungsmaßnahmen notwendig werden.

Gerade hier sind die Erfolge der Arbeit von Herrn Schultes zu sehen. Er wurde zu einer Zeit für die Instandhaltung elektrischer Bauteile zuständig, als der Einsatz elektronischer Bauteile bei den Fahrzeugen bereits im vollen Gange war und es dringend erforderlich wurde, neue Wege in der Instandhaltung zu gehen. Mit Messen und Inaugenscheinnahme, das probate Mittel der Verschleißerkennung bei mechanischen Bauteilen, kam man hier nicht weiter. Der Versuch des Einsatzes von Prüfgeräten, die jeweils für ein bestimmtes Bauteil ausgelegt waren, führte letztlich auch nicht weiter, da ihre Anwendung zu aufwendig war. Es ist das Verdienst von Herrn Schultes, dass er hier zusammen mit den Vertretern der Industrie, die Diagnosemöglichkeiten bei elektronischen Bauteilen, sowohl bei den Reisezugwagen als auch bei den Triebfahrzeugen Schritt um Schritt zu einem erfolgreichen, heute nicht mehr wegzudenkenden Einsatz führte. Wie bei allem Neuen gab es auch hier Widerstände und zum Teil auch Unverständnis hinsichtlich der Notwendigkeit. Auch die Kosten der neuen Einrichtungen waren immer ein Thema. Hätte man für die Einführung der Diagnose ein großes Projekt eingerichtet, so wäre man wahrscheinlich vor den Schwierigkeiten und Kosten zurückgeschreckt und wir wären heute noch nicht da, wo wir jetzt stehen. Herr Schultes hat demgegenüber seine Entwicklungen konsequent und Schritt für Schritt vorangetrieben. Geholfen hat ihm dabei seine Fähigkeit, in Systemen zu denken, um so die einzelnen Entwicklungsschritte auf das große Endziel auszurichten. Es ist seinem Verdienst und Können zu verdanken, dass wir heute bei den Fahrzeugen der Bahn ein Diagnosesystem – aufbauend auf der Eigendiagnose der elektronischen Bauteile – mit zusammengefassten Anzeigen von Störungen und Mängeln haben, wodurch deren Behebung vereinfacht und beschleunigt wird.

All dies wurde, wie bereits gesagt, schrittweise aber auf ein Endziel ausgerichtet von Herrn Schultes betrieben. Um nur einige dieser Schritte zu erwähnen, erinnere ich an die Einführung der fünfstelligen Ziffernanzeige von Störungen in den Bp-Wagen 1980. Dies wurde weiterentwickelt zu einer Bildschirmanzeige. Da neben den Diagnosedaten auch Steuersignale verarbeitet wurden, erhielt dieses System einer „Zentralen Einheit zum Überwachen und Steuern” den einprägsamen Namen „Zeus”. Die Betriebserfahrungen, die man mit diesem System sammelte, wurden dann bei den ICE-Mittelwagen verwertet. Schließlich führte die Weiterentwicklung zur Einführung der Bildschirme für die Anzeige der Diagnosewerte in den Triebköpfen des ICE , bekannt unter dem Namen „David”. Ein besonderer Erfolg war beim ICE die Funkübertragung der Diagnosewerte während der Fahrt in die Instandhaltungswerkstatt, wo sie bereits vor der Ankunft des Zuges direkt in die erforderlichen Arbeitsaufträge umgesetzt wurden.

Da nicht nur die Deutsche Bahn nach einem einheitlichen Diagnosesystem suchte, wurde zur Wahrung der Einheitlichkeit für den Betriebseinsatz das UIC-Merkblatt 557 „Diagnose in Reisezugwagen” erstellt. Bei dieser Einbringung der Diagnose in die internationale Normung war Herr Schultes nicht nur beteiligt, sondern einer der maßgeblichen Betreiber und Mitgestalter. Um den Nutzen der Diagnosesysteme in den einzelnen Fahrzeugen zu steigern, war es erforderlich, die Daten an eine Stelle im Zugverband, z. B. auf das Triebfahrzeug, zu übertragen. Das in den Zügen vorhandene 12-adrige Kabel reichte hierzu aber nicht aus. Auch hier war Herr Schultes wieder maßgeblich bei der international erforderlichen Einigung zur Einführung eines 18-adrigen Kabels beteiligt. Die dazu erforderliche internationale Norm zur Informationsübertragung im Zug wurde unter maßgeblicher Mitarbeit von Herrn Schultes als MB 556 in den UIC-Codex eingeführt.

Man kann hier nicht alle Details aufführen, bei denen Herr Schultes zumeist als Treibender auf nationalem und internationalem Gebiet tätig war, aber aus der Liste seiner Mitgliedschaften in internationalen Gremien ist der Schwerpunkt seiner Tätigkeit unschwer zu erkennen. Beispielhaft nenne ich hier nur die UIC-Unterausschüsse 5A „Triebfahrzeuge” und 5R „Elektrik/Klima in Reisezugwagen”, den ERRI-Ausschuss B 166 „Diagnosetechnik”, das DKE-Gremium K 132 „Zuverlässigkeit und Instandhaltbarkeit”, seine Mitwirkung im Lenkungsausschuss und in mehreren Untergremien bei der Erarbeitung des Technischen Regelwerks Fahrzeuginstandhaltung „TRF” und der Fortsetzung im Arbeitsausschuss 9 des FSF zur Umsetzung des Regelwerks in DIN-Normen. In all diesen Positionen arbeitete Herr Schultes mit einem Gespür für das nützliche Neue. In vielen Punkten zog er früher als andere die notwendigen Folgerungen für die Fahrzeugtechnik und die Instandhaltung aus dem Fortschritt der Technik. Ich persönlich erinnere mich noch gut, wie er mich bearbeitete, bei der Vorserie der BR 120 die digitale Steuerung einzuführen.

All diese Aktivitäten, die der Bahn große wirtschaftliche Vorteile brachten, geschahen dabei im Stillen und fast unbemerkt. Ich meine, dass dies nicht die schlechteste Vorgehensweise ist, in einem großen und komplexen Unternehmen zu dessen Nutzen Neues einzuführen. Dem Betreiber bringt es aber selten den angemessenen Lohn. Deshalb sehe ich auch in dieser Ehrung ein spätes, aber verdientes Dankeschön für ein herausragendes berufliches Lebenswerk.

Nicht schließen will ich aber diese Ehrung, ohne auf einen anderen Aspekt des Herrn Schultes hinzuweisen. In vielen Jahren bei der Bahn hat sich Herr Schultes in vielen Gremien und Gemeinschaften für den kollegialen und geselligen Kontakt der Berufskollegen eingesetzt und dafür viel an Zeit und Aufwand investiert. Hierfür auch bei dieser Gelegenheit noch ein herzliches Dankeschön. Vielleicht war aber auch das mitentscheidend dafür, dass er im Stillen auf Grund der persönlichen, freundschaftlichen Kontakte Dinge vorbereiten und umsetzen konnte, die sonst nicht machbar gewesen wären.

 

 
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