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Laudatio für Dr.-Ing. Uwe Viereck und Dipl.-Ing. Christoph Ehmann
 
Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hans-Peter Lang, Vorsitzender des Beuth-Ausschusses der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Würzburg am 7. Nov. 2008 anlässlich der Verleihung des Beuth-Innovationspreises 2007
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Herr Dr. Viereck,
lieber Herr Ehmann,

die heutige Verleihung des Beuth-Preises findet in bewegten Zeiten statt. Genau wie ich verfolgen Sie bestimmt aufmerksam, welchen Widerhall Themen wie die Finanzkrise, die damit einhergehenden globalen Verflechtungen, die Internationalisierung und die zentralen Herausforderungen an ein ressourcenschonendes und nachhaltiges Handeln in Politik und Wirtschaft in den Medien finden. Besonders der Bahnkonzern steht mit dem geplanten Börsengang vor einer Zeitenwende: Mehr denn je kommt es für uns jetzt darauf an, unsere Position als führendes Mobilitäts- und Logistikunternehmen im harten internationalen Wettbewerb zu behaupten und unsere Attraktivität für Investoren zu erhöhen – vor vergleichbare Anforderungen stehen auch andere Betreiber im In- und Ausland. Wie können wir das schaffen, was sind die Herausforderungen angesichts dieser Situation? Die Antwort ist einfach: Wir müssen danach streben, die Besten zu sein – mit anforderungsgerechten, nachhaltigen, innovativen Produkten, mit integrierten Verkehrsnetzwerken und indem wir Maßstäbe setzen in Qualität, Kosten und umweltschonenden Einsatz von Ressourcen.

Warum sage ich Ihnen das an dieser Stelle? Ich tue es, weil ich mich freue, heute zwei ausgezeichnete junge Wissenschaftler zu ehren, die mit ihren dem Beuth- Ausschuss vorgestellten Arbeiten Forscherdrang, kritischen Geist und exzellentes Know-how bewiesen haben. Und darüber hinaus haben sie auch die richtigen Themen zur richten Zeit behandelt – eine wesentliche Randbedingung für nachhaltigen Erfolg. Genau das aber sind die Eigenschaften, die es in der Wirtschaft im Allgemeinen und bei der Bahn im Besonderen auch künftig braucht: Wir müssen dem Erfolg den Weg bereiten, wir müssen voraus denken und uns auch in schwierigen Zeiten nicht von unserem Ziel abbringen lassen, die Zukunft zu erfinden und eine Wirtschaftswelt zu gestalten, in der Ökonomie und Ökologie Hand in Hand gehen. Und wir sollten diese Aufgabe mit wacher Spannung, mit Mut, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein angehen – so, wie es die beiden jungen Kollegen in ihren wissenschaftlichen Arbeiten getan haben, die wir heute hier auszeichnen.

Ich möchte mich zunächst der Diplomarbeit von Christoph Ehmann zuwenden, die den Titel „Integration von Brennstoffzellenantriebstechnik in Lokomotiven für den Tunnel- und Untertagebau” trägt. Bei dem jungen Kollegen handelt es sich um einen verkehrstechnischen Allrounder erster Güte, der vor und während seines Studiums im Rahmen von Praktika Erfahrungen in unterschiedlichen Ingenieursdisziplinen gesammelt hat. In seinem Studium der Fahrzeug- und Motorentechnik wählte er die Hauptfächer „Kraftfahrzeuge” und „Bahntechnik” und hat damit für eine zukunftsträchtige und breit angelegte Wissensbasis gesorgt, die seinen Aktionsradius im Hinblick auf seine beruflichen Möglichkeiten zweifellos vergrößert.

Seine vom Beuth-Ausschuss zu bewertende Diplomarbeit fokussiert die Themen Energieeffizienz und Emissionen, die unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit stark in das Interesse unserer Gesellschaft gerückt sind und die weltweite Forschungslandschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten prägen werden. Der sorgsame Umgang mit Energie und Umwelt ist zudem auch eine wesentliche Anforderung an einen zukunftsorientierten Bahnbetrieb. Die Diplomarbeit von Herrn Ehmann stellt eine sehr gute Sammlung von Informationen über die aktuelle Technologie von Brennstoffzellen und deren Einsatz für spurgebundene Fahrzeuge dar. Die umfangreiche Übersicht ist „state of the art” und beinhaltet alle Aktivitäten und vorhandenen Informationen zu diesem Thema. Herr Ehmann hat sehr ausführlich die in Frage kommenden Brennstoffzellensysteme beschrieben und Vorschläge für die Umsetzung dieser Technologie auf einer Grubenlokomotive gemacht. In seiner Arbeit hat Herr Ehmann verschiedene Betriebskonzepte detailliert untersucht und mit Praxisbeispielen belegt. Kernpunkt der Arbeit ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Grubenlokomotiven mit Diesel- und Brennstoffzellenantriebstechnik. Beide Varianten werden kostenmäßig den Wetterungskosten im Bergbau gegenübergestellt. In Anbetracht der heutzutage noch enorm hohen Kosten dieser Brennstoffzellen ermittelt Herr Ehmann einen erforderlichen Kostensenkungsfaktor 10, um einen wirtschaftlichen Betrieb durchzuführen.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion über die Klimaproblematik und die Kostensteigerung für Kraftstoffe stellt diese Diplomarbeit eine sehr aktuelle Grundlagenarbeit für den Einsatz von Brennstoffzellen auf schienengebundenen Fahrzeugen dar. Die Arbeit ist gut strukturiert, logisch aufgebaut, hat einen „roten Faden” und beschreibt anschaulich das Gesamtsystem Brennstoffzellenantriebstechnik in seiner Anwendung für den spurgebundenen Verkehr. Insgesamt handelt es sich um eine sehr gut verständliche Arbeit mit hohem Praxisbezug, die sich deutlich von anderen guten Hochschularbeiten abhebt.

Ich freue mich daher, lieber Herr Ehmann, Sie heute mit dem Beuth-Geldpreis auszeichnen zu können. Mit Ihrer Arbeit haben Sie ein zentrales und wichtiges Thema aufgegriffen und dabei große Kompetenz unter Beweis gestellt. Im Namen des Beuth-Ausschusses danke ich Ihnen für Ihr Engagement und möchte an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie vielleicht irgendwann der Karosserieentwicklung für Porsche, der Sie derzeit bei der Bertrand Technikum GmbH nachgehen, untreu werden und die Bahntechnik auch beruflich wieder zu Ihrem Hauptthema machen! Sie würden es nicht bereuen.

Meine Damen und Herren, Felix Wankel, Ihnen allen als Erfinder des Wankel-Motors bekannt, hat einmal gesagt: „Geht ein deutscher Techniker mit ein paar Konservendosen in den Urwald, kommt er mit einer Lokomotive heraus.” Mag dies für uns primär zunächst nur witzig klingen, illustriert es doch gut, worum es in der Wissenschaft geht: Um die Kraft des Vorstellungsvermögens, die Freude an der technischen Umsetzung, am Versuch und schließlich die Kritikfähigkeit, vorhandene Lösungen in Frage zu stellen. Alle diese Eigenschaften hat Herr Dr. Uwe Viereck mit seiner Dissertation zum Thema „Entwicklung eines dynamischen Kraftschlussmodells als Basis zur Optimierung von Gleitschutzsystemen” unter Beweis gestellt. Herr Dr. Viereck hat sich nach seinem Studium der Elektrotechnik schon bald ganz der Schienenverkehrstechnik zugewandt und in unterschiedlichen beruflichen Funktionen, so u. a. bei Knorr Bremse und am Institut für Schienenfahrzeuge und Fördertechnik der RWTH Aachen, Erfahrungen gesammelt. Mit seiner Dissertation hat Herr Dr. Viereck ein in der Fachwelt heiß diskutiertes Thema aufgegriffen, das für den Bahnbetrieb hochaktuell ist, nämlich die Frage der Kraftschlussausnutzung bei Bremsvorgängen, insbesondere bei ungünstigen Schienenverhältnissen.

Nach ausführlicher Analyse der Randbedingungen und Wirkmechanismen und unter Rückgriff auf internationale Arbeiten wird in Stufen ein dynamisches Kraftschlussmodell erarbeitet, das die in Prüfstands- und Praxisversuchen aufgezeichneten Mechanismen erklärt und in weiten Teilen auch abbilden kann. Die Dissertation fasst einzelne bereits dokumentierte Kraftschlussphänomene in einem gesamtheitlichen Modellansatz zusammen und verifiziert diesen anhand von Messergebnissen aus UIC-Arbeiten sowie eigenen Prüfstands- und Fahrversuchen. Dabei werden die Modellansätze selbstkritisch geprüft und auch einige Fehldeutungen in der Fachliteratur aufgedeckt. Den Abschluss der Arbeit bilden Vorschläge für eine Gleitschutzregelung, die auf der Grundlage des vorher erarbeiteten dynamischen Kraftschlussmodells aufgestellt wurden.

Die Dissertation zeichnet sich durch eine hervorragende Verknüpfung von Theorie, Praxis, vorhandenem Wissen und eigenen weiterführenden Überlegungen aus und gibt Antworten auf Fragestellungen, die bei der Kraftschlussoptimierung bislang offen blieben. Damit handelt es sich um eine deutlich überdurchschnittliche Arbeit, die Können und Forschergeist verbindet. Und ich will auch gerne darlegen, dass uns diese Arbeit geholfen hat, Phänomene zu erklären, die wir bei der Analyse bremstechnischer Probleme erkannt hatten. So waren wir in der Lage, eine technische Lösung theoretisch abzuwickeln – auch hier gilt also „das richtige Thema zur richtigen Zeit”.

Ich habe deshalb heute die Freude und Ehre, Ihnen, lieber Herr Dr. Viereck, den Beuth-Preis und die Beuth-Medaille verleihen zu dürfen und gratuliere Ihnen hierzu im Namen des Beuth-Ausschusses herzlich. Sie haben mit Ihrer Arbeit eine sehr gute wissenschaftliche Leistung vollbracht, die Impulse setzt und der Fachwelt nur wärmstens zur Lektüre empfohlen werden kann. Da Sie in Ihrer jetzigen Tätigkeit als Systemingenieur bei Bombardier Transportation in Hennigsdorf an den Themen arbeiten, die für Bahn und Industrie gleichermaßen von Bedeutung sind, werden wir sicher noch öfters von Ihnen hören und lesen. Ich freue mich darauf und kann Sie nur ermuntern, Ihren guten Weg konsequent weiter zu verfolgen!

 

 

 

Seine Diplomarbeit hat Herr Ehmann in der Zeit von April bis September 2006 bei Herrn Prof. Dipl.-Ing. Dieter Bögle, Lehr- und Forschungsgebiet Schienenfahrzeugtechnik der Universität Stuttgart, angefertigt.

* * * * *

Die Dissertation von Herrn Dr. Viereck entstand am Institut für Schienenfahrzeuge und Fördertechnik (IFS) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen unter der Leitung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Torsten Dellmann. Sie wurde im VDI-Verlag veröffentlicht:

  Viereck, Uwe
„Dynamisches Kraftschlussmodell zur Optimierung von Gleitschutzsystemen”
Fortschr.-Ber. VDI Reihe 12 Nr. 678.
Düsseldorf: VDI Verlag 2008.
130 Seiten, 82 Bilder, 5 Tabellen.
ISBN 978-3-18-367812-9, ISSN 0178-9449.
 
Kurzzusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Besonderheiten der Kraftübertragung zwischen Rad und Schiene während einer kraftschlussverminderten Bremsung, die mit herkömmlichen Kraftschluss/Schlupffunktionen nicht ausreichend beschrieben werden. Das Vorliegen einer Zwischenschicht im Rad/Schienekontakt und einer variablen Schlupfverlustleistung in Abhängigkeit vom Bremsschlupf erfordern ein dynamisches Kraftschlussmodell. Grundlage dafür sind physikalische Modelle mit den wesentlichen Größen Temperatur, Rad/Schieneoberfläche, Viskosität der Zwischenschicht und Materialeigenschaften. Daraus werden dynamische Kraftschlussmodelle erster und zweiter Ordnung je nach Berücksichtigung der Schlupfverlustleistung bzw. der im Rad/Schienekontakt umgesetzten Energie abgeleitet. Weiterhin erfolgt eine Einteilung in statische, quasistatische und dynamische Kraftschluss/Schlupffunktionen.
 
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