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2008Laudatio für Dr.-Ing. Liermann, Dipl.-Ing. König und Dipl.-Ing. Schade] |
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Laudatio für Dr.-Ing. Matthias Liermann, Dipl.-Ing. Jens König und Dipl.-Ing. Sascha Schade |
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Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hans-Peter Lang, Vorsitzender des Beuth-Ausschusses der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Erfurt am 9. Okt. 2009 anlässlich der Verleihung des Beuth-Innovationspreises 2008 |
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Sehr geehrte Damen und Herren, die heutige Verleihung des Beuth-Preises findet in bewegten Zeiten statt. Die Wirtschaftskrise hat der Welt ihren Stempel aufgedrückt: Fast jeder kennt jemanden, der beruflich von der Krise betroffen ist und weltweit werden große Anstrengungen unternommen, die Krise schnell und möglichst ohne Folgeschäden für Unternehmen und Menschen zu überwinden. Schon zeigen diese Anstrengungen erste Erfolge, wir können eine langsame Stabilisierung der Märkte verzeichnen. Aber noch ist die Krise nicht bewältigt. Auch die deutschen Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen empfindliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen, besonders die Güterverkehrssparte hat mit erheblichen Einbrüchen zu kämpfen. Als Reaktion darauf haben die Unternehmen Kostensenkungsprogramme aufgesetzt, die den Weg aus der Krise weisen. Doch Kostensenkung allein wird das Problem nicht lösen. Dieses Bewusstsein ist in Politik und Wirtschaft an vielen Stellen schon vorhanden. Mehr denn je müssen wir jetzt auf hochqualitative, innovative und nachhaltige Produkte setzen, um uns im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Kostensenkung darf nicht zu Lasten der Zukunftsfähigkeit gehen. Es geht daher darum, gerade in Zeiten der Krise Innovationen, Qualität und Nachhaltigkeit zu stärken – nur so kann die Verkehrstechnik und -logistikbranche gestärkt aus der Krise hervorgehen und wir können als Standort Deutschland unsere herausragende Position in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung behaupten. Hierzu gilt es, internationale Netzwerke mit den Kompetenzträgern in aller Welt zu knüpfen, neue Gedanken und Entwicklungen aufzugreifen und fortzuentwickeln, die wegweisend sind für unsere Produkte und Dienstleistungen. Hierzu gilt es aber auch, die Verbindung von Hochschulen und Praxis zu intensivieren und den Ingenieur-Nachwuchs gezielt zu fördern. Warum sage ich Ihnen das an dieser Stelle?
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Ich möchte mich zunächst der Dissertation von Herrn Dr.-Ing. Matthias Liermann zuwenden, die den Titel „Self-energizing Electro-Hydraulic Brake” trägt. Abgeleitet aus einem für die Automobilindustrie entwickelten elektromechanischen selbstverstärkenden Keilbremssystem behandelt die Arbeit von Herrn Dr. Liermann eine hydraulische Lösungsvariante. Mit diesem System wird für die Normalkrafterzeugung die hydraulische Abstützkraft des Bremszylinders genutzt. Diese selbstverstärkende elektro-hydraulische Bremse wird von der übergeordneten Steuerung nur über elektrische Schnittstellen auf niedrigem Leistungsniveau angesteuert. Die zum Spannen der Bremse benötigte Energie kommt aus dem Bremsprozess, indem das Verzögerungsmoment auf einem Kolben abgestützt wird. Hierdurch ist keine externe Druckversorgung notwendig. Vorteile des hier beschriebenen Konzeptes sind der minimierte Energieverbrauch, die Möglichkeit der Regelung des wirklichen Verzögerungsmomentes und die Rückmeldefähigkeit über die ausschließlich elektrische Schnittstelle. Der theoretische Teil sowie die Beschreibung der Auslegung wird abgerundet durch die Erprobung von zwei Prototypen im Versuch. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Bei Durchsicht der Arbeit sind mir einige Themen aus der Praxis eingefallen, bei denen das hier vorgestellte Konzept zur Lösung bremstechnischer Herausforderungen einen entscheidenden Beitrag liefern könnte. Ich schließe mich daher in meiner Bewertung der Auffassung von Herrn Prof. Dellmann an: sollte es gelingen, so steht mit diesem Bremssystem eine neuartige Bremstechnik für den Bahnbereich zur Verfügung, mit der unter Gewährung der existierenden Sicherheitsanforderungen und ähnlicher Funktionalität auf die aufwendige Verrohrung, auf die Bereitstellung einer externen Druckluftversorgung einschließlich der zugehörigen Luftbehälter als Energiespeicher verzichtet werden kann. Die vorgestellten Ergebnisse lassen für zukünftige Fahrzeuggenerationen einen deutlichen Innovationssprung hinsichtlich der bremstechnischen Dynamik bei gleichzeitiger Kosten-, Material- und Gewichtsersparnis erwarten. Insofern stößt die vorgelegte Arbeit auf größtes Interesse der Praxis. Bei Herrn Dr. Liermann handelt es sich um einen jungen Kollegen, der nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums des Maschinenbaus an der RWTH Aachen in der Fachrichtung Konstruktion und Entwicklung im Rahmen eines Forschungsprojektes „Intelligentes, Integriertes Einzelrad-Antriebs-Brems-Modul” der deutschen Forschungsgemeinschaft diese innovative hydraulische Bremse entwickelt hat. Damit ist dem jungen Kollegen ein Ansatz gelungen, der die seit den früheren Zeiten „übliche” Bremstechnik verändern kann. Herr Dr. Liermann konnte in diesem Zusammenhang seine Erkenntnisse auch schon durch Patente sichern. Ich freue mich daher, lieber Herr Dr. Liermann, Sie heute für Ihre Dissertation mit einem
Beuth-Geldpreis auszeichnen zu können. Mit Ihrer Arbeit haben Sie ein zentrales und wichtiges Thema
der Fahrzeugtechnik aufgegriffen und dabei große Kompetenz unter Beweis gestellt. Im Namen des
Beuth-Ausschusses danke ich Ihnen für Ihr Engagement und möchte an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck
verleihen, dass Sie vielleicht künftig bei der Bahntechnik Ihre Innovation in die Praxis umsetzen
können. |
Meine Damen und Herren, Felix Wankel, Ihnen allen als Erfinder des Wankel-Motors
bekannt, hat einmal gesagt: „Geht ein deutscher Techniker mit ein paar Konservendosen
in den Urwald, kommt er mit einer Lokomotive heraus.” Dieser Satz illustriert, worum es in
der Wissenschaft geht: Um die Kraft des Vorstellungsvermögens, die Freude an der technischen Umsetzung,
am Versuch und schließlich die Fähigkeit, vorhandene Lösungen kritisch in Frage zu stellen. |
Diese Eigenschaften hat Herr Dipl.-Ing. Jens König mit seiner Diplomarbeit zur „Dynamikanalyse eines Eisenbahnrades auf lateral bewegten Schienen” unter Beweis gestellt. In der Arbeit werden zunächst unterschiedliche Kraftschlussmodelle vorgestellt und miteinander verglichen. Als Fazit wird ein erweitertes Modell verwendet, es werden die Bewegungsgleichungen mit schwingenden Schienen aufgestellt und der Radsatzlauf berechnet. Diese Diplomarbeit ist eine theoretische Arbeit, die das Verhalten von Radsätzen auf schwingenden Schienen simuliert. Diese, mit viel Fleiss durchgeführte Arbeit ist sehr umfangreich. Herr König konnte im Rahmen eines Praktikums bei der DB AG in München und Minden erste Erfahrungen mit schienengebundenen Fahrwerken sammeln. Diese Erkenntnisse sind dann erfolgreich in die Arbeit eingeflossen. Ich habe deshalb heute die Freude und Ehre, Sie, lieber Herr Dipl.-Ing. König, für ihre Diplom-Arbeit im Rahmen des Beuth-Wettbewerbes 2008 mit einem Geldpreis zu ehren. Für Ihre jetzige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fahrzeugkonzepte
beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt e. V. (DLR) wünsche ich mir, dass Sie das für
uns – Wissenschaft, Bahnbetriebspraxis und Industrie gleichermaßen – bedeutsame Thema
des Zusammenwirkens von Rad und Schiene zum Nutzen des Systems Bahn weiterentwickeln. Ein Thema,
dem ich mich in früherer Tätigkeit auch selbst mit großem Interesse gewidmet habe. |
Herr Dipl.-Ing. Sascha Schade, unser dritter Preisträger, greift in seiner Diplomarbeit die „Mechatronische Spurführung eines intelligenten Einzelrad-Antriebsmoduls für Schienenfahrzeuge” auf. Ein aktuelles und für die Schienenfahrzeugbranche interessantes Thema, welches künftig aufgrund mechatronischer Komponenten weiter behandelt werden wird. Hier unterstreiche ich die Vorreiterrolle in diesem Thema, welche die Industrie hierbei übernimmt. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, den klassischen Auslegungskonflikt zwischen Stabilitätsanforderungen in der Geraden bei hohen Geschwindigkeiten sowie den Anforderungen zur Verschleißminderung in engen Bögen aufzuheben und schlägt hier den Ansatz des aktiven Einzelrades vor. Die theoretisch möglichen Regelcharakteristiken des Einradmoduls werden sehr gut in Modellrechnungen bewertet. Dazu wurde auch richtigerweise die Fahrt im Übergangsbogen analysiert. Die Schlussfolgerungen in Bezug auf die Übertragbarkeit in die Praxis werden mit Parameterstudien logisch hergeleitet. Herr Schade hat sein Thema für eine Diplomarbeit erstaunlich tiefgreifend und gründlich durchdrungen und ein hinreichend validiertes Rechenmodell erstellt. Wenn wir heute Herrn Dipl.-Ing. Schade für seine Diplom-Arbeit im Rahmen des Beuth-Wettbewerbes
2008 mit einem Geldpreis ehren, so möchten wir Herrn Schade gleichzeitig damit ermutigen, dieses Thema
durch weitere Parameterstudien noch zu vertiefen. Um die Einsatzfähigkeit im Praxisbetrieb sicher
nachzuweisen, müssen noch weitere Testreihen auf dem Prüfstand durchgeführt werden und Erprobungen auf
der Strecke erfolgen. Und hierzu sind die Eigenschaften erforderlich, die ich eingangs nannte: Mut,
Geduld und Zielstrebigkeit. Auf die Ergebnisse dieser weiterführenden Untersuchungen warten wir in
der Praxis mit großem Interesse! Wir wünschen Herrn Dipl.-Ing. Schade viel Erfolg bei seiner
gegenwärtigen Promotion. |
Sehr geehrte Preisträger, ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren beruflichen Werdegang viel Glück, Mut und kritische Neugier und hoffe, dass dieser Preis Ihnen Türen öffnet.
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Die Dissertation von Herrn Dr. Liermann entstand am Institut für fluidtechnische Antriebe
und Steuerungen (IFAS) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen unter der
Leitung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Hubertus Murrenhoff. Sie wurde im Shaker Verlag veröffentlicht: |
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Kurzfassung in Deutsch: Selbstverstärkende Elektro-Hydraulische Bremse Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein neuartiges Bremskonzept, die Selbstverstärkende Elektro-Hydraulische Bremse (SEHB) erforscht. Die Bremse arbeit im Bereich der instabilen Selbstverstärkung, welche nur durch eine zusätzliche Regeleinrichtung technisch nutzbar wird. Das vorgestellte Schaltungskonzept ist auf dem Hintergrund einer Schienenfahrzeuganwendung entwickelt worden, ist aber grundsätzlich auf andere Anwendungen übertragbar. Vorteile des Konzepts sind unter anderem der minimierte Energieverbrauch, die Möglichkeit der Regelung des wirklichen Verzögerungsmoments und die Rückmeldefähigkeit über die ausschließlich elektrische Schnittstelle. Die Arbeit stellt die SEHB herkömmlichen selbstverstärkenden Bremsen gegenüber und formuliert mit Hilfe statischer Betrachtungen die Grundlagen zur Charakterisierung der instabilen Selbstverstärkung. Zur Untersuchung der Dynamik der instabilen Selbstverstärkung wird ein linearisiertes Modell der ungeregelten Strecke entwickelt und auf Basis einer Poldominanzanalyse vereinfacht. Das vereinfachte Modell wird zur Bestimmung eines zustandsabhängigen Reglerkennfelds genutzt. Die grundlegenden hydraulischen Auslegungskriterien werden erläutert und eine Systematik der hydraulisch-mechanischen Ausführungsmöglichkeiten aufgestellt. Ein besonderer Fokus wird auf die Ventilansteuerung gerichtet, welche zentral für die Regelungseigenschaften der Bremse ist. Für eine erste Implementierung des Bremsenprinzips an Prototypen werden Ventile aus dem Kfz-Bereich (ABS, EHB, ASR und ESP) eingesetzt. Abschließend werden der Bremsenprüfstand und zwei Prototypen beschrieben, welche im Rahmen der Forschungsarbeit aufgebaut wurden. Verschiedene Ventilansteuerungsarten werden durch exemplarische Messergebnisse verglichen und diskutiert. Die erreichte Bremsdynamik der ersten Prototypen zeigt die Leistungsfähigkeit des neuen Bremsenprinzips auf.   |
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Seine Diplomarbeit hat Herr Schade am Institut für Schienenfahrzeuge und Fördertechnik der Rhein.-Westf.
Technischen Hochschule Aachen (IFS) unter der Leitung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Torsten Dellmann in der Zeit von
Nov. 2007 bis Jan. 2008 angefertigt.
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