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Laudatio für Prof. Dr. Hubert Hochbruck
 
(Die Laudatio anlässlich der am 15.10.2004 erfolgten Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille an Herrn Prof. Dr.-Ing. Hubert Hochbruck wurde veröffentlicht in dem Aufsatz
 
  Güldenpenning, Axel:
Jahrestagung 2004 der DMG in Essen
ZEVrail Glasers Annalen 129 (2005) Nr. 1/2, S. 6-15, insbes. S. 11-12.
 
Die nachfolgende Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG, Berlin.)
 
 

 

Die Laudatio für Herrn Professor Hochbruck wurde vom Ehrenvorsitzenden der DMG, Herrn Dipl.-Ing. Werner Görlitz, vorgetragen:

Mit der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille an Herrn Prof. Dr. Ing. Hubert Hochbruck ehrt die DMG eine Persönlichkeit und einen Fachmann, der sich in allen Phasen seiner beruflichen Laufbahn um die Weiterentwicklung des Rad/Schiene-Systems, also der Eisenbahn hoch verdient gemacht hat. Hubert Hochbruck war dabei nur in den ersten Berufsjahren bei BBC selbst Entwickler, und zwar für das Gebiet automatischer, führerloser Zugbetrieb, danach wirkte er mehr als Initiator, Koordinator und Integrator mannigfaltiger Entwicklungsaktivitäten bei vielen Einzelunternehmen. Er hat dabei stets die gemeinsamen Interessen aller Systempartner und nicht die einzelner Gruppierungen oder Firmen zur Maxime seines Handelns gemacht. Er ist eine der großen integrierenden Persönlichkeiten der Eisenbahnbranche.

Hubert Hochbruck wurde 1930 bei Krefeld geboren, wo er später auch die Reifeprüfung ablegte. Von 1952 bis 1957 studierte er an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Maschinenbau mit der Fachrichtung Eisenbahnwesen. Von 1957 bis Ende 1960 war er dort Assistent am Institut für Schienenfahrzeuge und Fördertechnik von Herrn Prof. Fink. Mitte 1963 promovierte er zum Dr.-Ing.

Ab l. Januar 1961 war er in der Abteilung Bahnen der Firma Brown Boveri & Co. AG, Mannheim, in der technischen Entwicklung tätig. Die ihm danach übertragenen Aufgaben in der Projektierung und im Verkauf betrafen unter anderen die Themen Bahnautomatisierung, Fernsteuerung für Bahnen und ab etwa 1970 auch unkonventionelle Verkehrstechniken. Ein Beispiel für sein Wirken in jener Zeit auf dem Gebiet der Automatisierung und Fernsteuerung ist – gar nicht weit von Essen entfernt realisiert – Entwicklung und Betrieb eines automatischen Untertageverkehrs auf einer Zechen- und Schachtanlage im Raum Wanne-Eickel. Im Jahr 1966 wurde Hubert Hochbruck Handlungsvollmacht erteilt, 1969 wurde er Abteilungsleiter und erhielt Prokura. 1988 wurde er Abteilungsdirektor und Leiter des Fachbereichs Bahnen der ABB HENSCHEL AG, wie das Unternehmen ab 1984 hieß.

Ab 1970 wurde Hubert Hochbruck – vermehrt firmenübergreifend – in eine Reihe neu geschaffener Fachgremien berufen, die sich mit der Entwicklung neuer Verkehrssysteme und der Weiterentwicklung des Rad/Schiene-Systems befassten: So war er von 1970 bis 1974 Vorsitzender des so genannten Birlinghovener Kreises, dessen Aufgabe die Erstellung eines ersten Forschungsprogramms des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) auf dem Gebiet des spurgebundenen Landverkehrs war.

Von 1970 bis 1972 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Hochleistungsschnellbahn-Studiengesellschaft (HSB). Im gleichen Zeitraum war er auch Mitglied des ad-hoc-Auschusses für Fernbahnen des BMFT.

Von 1972 bis 1976 war Hubert Hochbruck Vorsitzender des technischen Ausschusses der Gesellschaft für Bahntechnische Innovationen (GBI), die sich mit der Planung und Realisierung einer großen Versuchsanlage für fortschrittliche Hochgeschwindigkeitssysteme befasste.

Nachdem sich eine gemeinsame große Versuchsanlage für das fortschrittliche Rad/Schiene-System und die Magnetschwebetechnik im Donauried aus regionalpolitischen Gründen nicht realisieren ließ, wurde Hubert Hochbruck Projektleiter des Forschungsprogramms „Eisenbahnversuchsanlage Rheine-Spelle-Freren”. Sie wurde aber letztlich auch nicht realisiert, da trotz hoher finanzieller Aufwendungen dort Dauerversuche nicht möglich gewesen wären und lineare Versuchsfahrten auch auf Eisenbahnstrecken des öffentlichen Verkehrs oder auf den damals im Bau befindlichen Neubaustrecken der DB durchgeführt werden konnten.

Für Dr. Hochbrucks Tätigkeit auf dem Gebiet der unkonventionellen Bahnsyteme seien nur beispielhaft sein Vorsitz im Steuerungskomitee der europäischen Linearmotor-Hersteller von 1973 bis 1975 und seine Sprecherrolle im Arbeitskreis „Antriebe” der auf dem Gebiet der Hochleistungs-Schnellbahnen arbeitenden Firmen und Hochschulinstitute in Deutschland von 1974 bis 1978 genannt.

Das in den vorgenannten Gremien erfolgreich bewiesene bemerkenswerte Integrationsvermögen von Hubert Hochbruck war erneut gefordert, als er 1978 zum Geschäftsführer der neu gegründeten „Forschungsgemeinschaft Rad/Schiene” berufen wurde, die neben der Deutschen Bundesbahn rund 50 Mitgliedsfirmen und Hochschulinstitute aus allen Eisenbahnbereichen umfasste und über die ursprüngliche Aufgabenstellung „Erforschung der Grenzen des Rad/Schiene-Systems” hinaus die gesamte Rad/Schiene-Forschung auf System-, Teilsystem- und Komponenten-Ebene beinhaltete, und dies in Theorie, Prüfstandversuch und Streckenerprobung. Nur beispielhaft seien so fundamentale Aufgaben wie die Simulation des Zusammenwirkens von Rad und Schiene (Simulationsprogramm „Medyna”), die Grundsatzentwicklungen auf dem Gebiet des verbesserten Schotteroberbaus und der Festen Fahrbahn, der Bau und Betrieb des weltweit einzigartigen Rollprüfstands in München und – als Höhepunkt und Beweis der wieder gewonnenen Führungsrolle Deutschlands auf dem Hochgeschwindigkeitssektor – die Entwicklung und der Bau des ICE-Versuchszuges und dessen Weltrekordfahrt mit 407 km/h genannt. Hubert Hochbruck war 16 Jahre ehrenamtlich Geschäftsführer dieser Forschungsgemeinschaft bis zu ihrer Auflösung 1994, als der Hochgeschwindigkeitsverkehr mit den ersten 60 ICE 1-Serienzügen bereits Alltag war. Für die Größe und den Stellenwert dieses in der Welt einmaligen Rad/Schiene-Forschungsprogramms spricht schon allein die Tatsache, dass über 1 Mrd. DM Bundesmittel und etwa gleich große Entwicklungsmittel seitens der Deutschen Bundesbahn und der Industrie aufgewendet wurden.

In diesen Jahren war auch die Zeit reif, aus mehreren Verbänden wie dem Verband der Deutschen Lokomotivindustrie VDL, dem Verband der Deutschen Waggonindustrie VdW sowie einigen weiteren Interessengruppen und Gremien eine einzige große Industrievereinigung zu schaffen, den Verband der Deutschen Bahnindustrie e. V. (VDB). Es war nahezu selbstverständlich, dass für dessen Geschäftsführung nur eine Persönlichkeit in Frage kam: Dr. Hubert Hochbruck. Von der Verbandsgründung am 01.04.1991 bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden am 31.10.1994 war Hubert Hochbruck dessen Hauptgeschäftsführer, und dies in einer Zeit, als sich Strukturen der deutschen und europäischen Eisenbahnindustrie grundlegend änderten: Einige wenige große Systemhäuser, meist hervorgegangen aus Fusionen führender, international tätiger Eisenbahnunternehmen, vertraten das Gesamtsystem. Die Mehrzahl der Teilsysteme und Komponenten wurde von eigenständigen, meist mittelständischen Unternehmen entwickelt und eingebracht. Hubert Hochbruck hat auf Verbandsebene diese Neustrukturierung koordiniert und aktionsfähig gemacht. Er war deren erster Steuermann durch eine Vielzahl von Stromschnellen und Untiefen, in der strukturtypischen Polarisierung zwischen einigen wenigen großen, weltweit operierenden Systemhäusern und einer großen Zahl zuarbeitender, mittelständischer, technologisch hoch stehender Partnerfirmen. Gegründet mit rund 35 Firmen zählte der Verband der Bahnindustrie in Deutschland rund 100 Mitgliedsfirmen, trotz der bekanntlich zahlreichen Firmenübernahmen und Fusionen in den letzten Jahren.

Die Geschäftsführung eines so großen Verbandes mit einer Vielzahl von Arbeitsgremien und -ausschüssen war ein Full-Time-Job und verlangte strikte Neutralität, weswegen Hubert Hochbruck zum 01.04.1991 bei seiner Mutterfirma ABB HENSCHEL ausschied.

Seit dem Wintersemester 1974/75 bis zum Sommersemester 2000 hatte Hubert Hochbruck einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Darmstadt für die zweisemestrige Vorlesung „Eisenbahnfahrzeugbau”. Ende 1981 wurde er zum Honorarprofessor ernannt.

Bereits seit 1979 war Hubert Hochbruck Mitglied des Beirats des Technischen Gemeinschaftsbüros des Verbandes der Deutschen Lokomotivindustrie (VDL-TGB GmbH), 1991 wurde er Vorsitzender des Beirates.

Seine umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen stellte Herr Hochbruck auch viele Jahre als Mitglied des Fachwissenschaftlichen Beirates der führenden Fachzeitschriften „ZEV/Glasers Annalen” (ab 1979), „Elektrische Bahnen” (ebenfalls ab 1979) und „Eisenbahntechnische Rundschau ETR” (1991 bis 1995) zur Verfügung. Von 1995 bis 2000 betreute er als Schriftleiter deren englischsprachige Schwesterzeitschrift „RTR Railway Technical Review”. Seit 1995 ist er Schriftleiter des „Jahrbuch des Eisenbahnwesens”.

Eine Vielzahl von Dienstreisen führte Prof. Hochbruck in nahezu alle Länder Europas, aber auch nach Japan und in die damalige Sowjetunion. Dabei konnte er auch viel zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen beitragen, wie zum Beispiel bei seiner – was Sauna-Gänge, Essen und Trinken angeht – anstrengenden Ernennung zum „Ehrenkosaken” in Nowocherkassk bei Rostow am Don.

Natürlich ist Hubert Hochbruck auch seit Jahren ein sehr aktives DMG-Mitglied. In den Jahren der VDB-Tätigkeit war er Mitglied des DMG-Vorstands, im Ruhestand dann aktiver Mitarbeiter im Nachwuchsförderungsprogramm der DMG mit der Übernahme von Referaten im Grundlagenkurs. Besondere Verdienste hat er sich also auch hier um die Weiterbildung des Ingenieurnachwuchses erworben.

Neben seinen vielen beruflichen Aufgaben und Verpflichtungen fand Hubert Hochbruck aber auch noch die Zeit, sich vielfältigen politischen, kommunalen, kirchlichen und gesellschaftspolitischen Aufgaben zu widmen. So war er rund 15 Jahre Stadtverordneter in seiner Wohngemeinde Lorsch in Hessen und nimmt auch heute noch eine Reihe von ehrenamtlichen Tätigkeiten zum Gemeinwohl wahr.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Als Initiator, Koordinator und Integrator von Vorhaben solcher Dimensionen, wie sie Hubert Hochbruck mit Bravour bewältigte, benötigt man allseitige Akzeptanz. Diese kann man nur durch Kompetenz erreichen, und zwar fachliche und menschliche. Zum geordneten, zielorientierten Zusammenwirken so vieler Fachleute mit zum Teil konträren Vorstellungen sind Fairness, Seriosität, Neutralität und auch Fingerspitzengefühl unerlässlich. Nur mit Durchsetzungsvermögen und Weitblick sind solche Aufgaben erfolgreich zu lösen. Hubert Hochbruck besitzt diese bemerkenswerten Eigenschaften in Fülle. Hubert Hochbruck hat sich um das Eisenbahnwesen und die DMG hoch verdient gemacht.

Die DMG verleiht daher Hubert Hochbruck die Beuth-Ehrenmedaille.

 

 
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