Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft  
 
Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft
Forum für Innovative Bahnsysteme
 
Archivdokument
[HomePfeilArchivPfeilBeuth-Innovationspreis 2011PfeilLaudatio für Dr.-Ing. Kleiner und Dipl.-Ing. Bergmann]
 
[zurück] Seite drucken
 
 
Laudatio anlässlich der Beuth-Preisverleihung 2013
 
Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hans-Peter Lang, Vorsitzender des Beuth-Ausschusses der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Augsburg am 11. Okt. 2013 anlässlich der Verleihung des Beuth-Innovationspreises 2012
 

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Dr. Kleiner,
sehr geehrter Herr Bergmann,

unser Sektor steht vor großen Herausforderungen. Wir haben gerade gehört, welche veränderten Anforderungen sich aus dem künftigen Mobilitätsverhalten unserer Kunden ergeben. Vernetzung der Verkehrsträger, das Schaffen von geschlossenen Mobilitätsketten, die von den Betreibern angeboten und auch aktiv gestaltet werden müssen, erfordern Kreativität und neue, auch unkonventionelle Ideen. Die zunehmende Liberalisierung des Schienenverkehrs, zumindest in Deutschland, und das Aufbrechen bislang geschlossener Wertschöpfungsketten bei den Betreibern, wie beispielsweise die Aufteilung von Betrieb und Instandhaltung, erfordert neue Geschäftsmodelle. Die jetzigen Anforderungen unserer Kunden an Komfort und Information erfordern Flexibilität bei der Beschaffung neuer, aber auch beim Redesign vorhandener Fahrzeuge. Und die Prozesse für die Spezifikation, Entwicklung und Zulassung müssen dem zunehmend schnellen Wandel der Anforderungen entsprechend weiterentwickelt werden.

Gleichzeitig wird aber deutlich, dass die für Instandhaltung und Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung stehenden Mittel langfristig nicht ausreichen, um die von einer arbeitsteiligen und mobilen Industriegesellschaft nachgefragten Kapazitäten bereitzustellen und auf hohem Niveau zu erhalten. Die Herausforderungen sind also vielfältig, haben aber doch eines gemeinsam: Wir brauchen kreative Köpfe mit Ideen und Begeisterung für die Sache.
 



 

Ich freue mich daher sehr, dass wir auch in diesem Jahr wieder zwei jungen Kollegen den Beuth-Preis verleihen können. Ich möchte Ihnen zunächst die Dissertation von Herrn Dr. Kleiner vorstellen und sie einordnen in die Anforderungen der betrieblichen Praxis. Ich hatte bereits erwähnt, dass die Mittel für die Schieneninfrastruktur begrenzt sind. Die prognostizierten Verkehrsleistungen werden daher vorwiegend in der vorhandenen Infrastruktur bewältigt. Dies wird nur bei hoher Verfügbarkeit von Infrastruktur und Fahrzeugen gelingen. Steigende Radsatzlasten, Hochausnutzung des Kraftschlusses durch moderne Antriebs- und Bremsregelungen führen zu hoher Beanspruchung der Materialien von Rad und Schiene. Die Vermeidung von Oberflächenschäden am Schienenkopf ist daher eine zentrale Aufgabe der Fahrweginstandhaltung. Rechenverfahren ermöglichen heute die Prognose der Entwicklung von Schienenfehlern auch unter Berücksichtigung der Fahrzeugeigenschaften und damit die Entwicklung präventiver Instandhaltungsprogramme. Der dabei erforderliche Aufwand für die Schienenpflege ist beträchtlich und jede Instandhaltungsmaßnahme kostet Trassenkapazität.

Es darf also nicht allein das Ziel sein, Instandhaltungsprogramme zu optimieren, es muss vielmehr das Ziel sein, in die Schadensentwicklung einzugreifen und den Schadensursachen zu begegnen. Dafür ist allerdings ein tiefes Verständnis der Materialbeanspruchung in den Kontaktflächen von Rad und Schiene erforderlich. Und genau hier, meine Damen und Herren, setzt die Arbeit von Herrn Dr. Kleiner an. In seiner Arbeit hat sich Herr Dr. Kleiner das Ziel gesetzt, die mechanischen und thermomechanischen Materialbeanspruchungen unter betriebsnahen Belastungen zu ermitteln und so einen Beitrag zu leisten für weitergehende Ermüdungs- und Betriebsfestigkeitsuntersuchungen.

Herr Dr. Kleiner befasst sich zunächst mit den Grundlagen des Rad/Schiene-Systems wie der Beschreibung üblicher Rad/Schiene-Profile, den Grundzügen der Spurführung, üblichen Werkstoffen für Rad und Schiene sowie deren Wärmebehandlung. Herr Dr. Kleiner gibt einen Überblick über die bekannten Schienenfehler, beschreibt Grundlagen der Kontaktmechanik sowie die bislang angewendeten Verfahren zur Messung der Kontaktflächen.

Ausgehend von diesem Stand der Technik wird der Forschungsbedarf definiert: eine deutliche präzisierte Modellierung der Kontaktflächen unter Berücksichtigung nichtlinearen Materialverhaltens sowie herstellungsbedingter Materialinhomogenitäten. Zusätzlich gilt es, auch thermisch induzierte Spannungen, beispielsweise hervorgerufen durch die Kraftschlussbeanspruchung oder durch die durch Klotzbremsen eingetragene Wärmeleistung, zu berücksichtigen.

Eine genaue Analyse der im Bahnbetrieb auftretenden mechanischen und thermischen Beanspruchungen sowie die Ermittlung der Materialkennwerte von Rad und Schiene bereiten die eigentliche FE-Analyse der Beanspruchung der Kontaktpartner vor. Diese Analyse wird für unterschiedliche Profilkombinationen Rad/Schiene und in Abhängigkeit von praxisrelevanten Einflüssen wie der Stellung des Radsatzes im Spurkanal, des Raddurchmessers, der Traktion usw. durchgeführt. Als ein Ergebnis dieser Untersuchung wird ein normalspannungsoptimiertes Schienenprofil vorgeschlagen. Ein weiteres Ergebnis der FE-Simulation ist eine einfache analytische Formel zur Bestimmung der maximalen Normalspannung in Abhängigkeit von Radlast und Stellung des Radsatzes im Gleis. Dies erlaubt dem Eisenbahningenieur der Praxis eine rasche Abschätzung der Spannungen ohne komplexe Simulation.

Die Rechnungsergebnisse werden dann mit experimentellen Untersuchungen unterlegt, die an einem geeigneten Prüfstand durchgeführt wurden. Bemerkenswert dabei ist, dass hier zur Bestimmung der Kontaktflächengrößen und der Kontaktdruckverteilung erstmals Druckmessfolien eingesetzt wurden. Durch geschickte Anwendung dieser Folien gelingt es Herrn Dr. Kleiner, eine gute Übereinstimmung von Rechnung und Messung aufzuzeigen. Eine zusätzlich durchgeführte FE-Analyse der thermodynamischen Beanspruchung rundet das Gesamtbild ab.

Fazit: Eine sehr umfangreiche, anspruchsvolle, aber gut lesbare Arbeit, klar gegliedert und von hohem praktischen Wert.

Ich freue mich, Ihnen, Herr Dr. Kleiner, im Namen des Beuth-Ausschusses den Beuth-Preis und die Beuth-Medaille verleihen zu können.
 



 

Wie schon in vergangenen Jahren haben wir uns auch dieses Mal entschieden, einen weiteren Preis für eine herausragende Diplomarbeit zu vergeben. Diese Preisverleihung wird durch die Unterstützung des „Vereins zur Förderung der Schienenfahrzeugtechnik Hannover” ermöglicht. Die Diplomarbeit von Herrn Michael Bergmann befasst sich mit der Technik eines Zahnrad-Triebdrehgestells für neue Zahnradtriebwagen der Stuttgarter Straßenbahn. Im Rahmen der Arbeit war für die neuen Triebwagen mit Niederfluranteil das Triebdrehgestell zu konzipieren. Da die Zahnradstrecke ein Wohngebiet tangiert, werden besondere Anforderungen an die akustischen Eigenschaften gestellt, aber auch der Fahrkomfort bedarf besonderer Aufmerksamkeit.

Ausgehend von einer Beschreibung der Einsatzstrecke mit Analyse von Höhenprofil, Trassierung und Geschwindigkeitsprofil werden wesentliche Randbedingungen für die Fahrzeugentwicklung aufgestellt. Da die vorhandenen Altfahrzeuge trotz grundsätzlicher technischer Eignung wegen lärmbedingter Anwohnerbeschwerden die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht fahren dürfen, beeinflusst der Zwang zur Geräuschminimierung die Konzeption des Zahnradfahrwerkes ganz maßgeblich. Ebenso war zunächst mit der Aufsichtsbehörde das anzuwendende Regelwerk festzulegen, Zahnradbahnen sind – zumindest hierzulande – kein alltägliches Entwicklungsgeschäft.

Weiterhin sind technische Anforderungen, wie die aus dem Eisenbahnprofil abgeleiteten Zug- und Bremskräfte, zu formulieren und Zahneingriffsuntersuchungen durchzuführen. Sie sind Grundlage für die Bestimmung der möglichen Raddurchmesser, für Betrachtungen zur Fahrzeugumgrenzung sowie für erste Gewichtsabschätzungen. Sie sind auch Voraussetzung für die folgende Ausarbeitung des Fahrwerkskonzeptes.

Großen Wert legt Herr Bergmann auf die Wirtschaftlichkeit seines Fahrwerkkonzepts, sowohl im Hinblick auf den Aufwand für Entwicklung und Fertigung wie auch im Hinblick auf die Verwendung von Gleichteilen in der Instandhaltung. Dies zeigt sich in Betrachtungen bereits ausgeführter konstruktiver Lösungen, bei denen Herr Bergmann untersucht, ob sie, ggf. mit geringfügigen Anpassungen an die spezifischen Verhältnisse des Einsatzes in Stuttgart, verwendbar sind.

Unter Berücksichtigung der fahrdynamischen Anforderungen, die sich aus einem beabsichtigen 10-Min.-Takt ergeben, der bei vorgegebenem Haltestellenabstand erforderlichen Längsbeschleunigung sowie der spezifischen topografischen Verhältnisse führt Herr Bergmann eine Vorauslegung der Antriebseinheiten und des bei Zahnradbahnen sehr spezifischen Bremssystems durch. Interessant für den mit den Besonderheiten des Zahnradbetriebs nicht so vertrauten Leser ist die Behandlung so spezieller Komponenten wie der Zahnstangenschmierung.

Sehr ausführlich wird der Stabilitäts- und Entgleisungssicherheitsnachweis behandelt. Dies erfolgt, dem Anwendungsfall „Zahnradbahn” entsprechend, abweichend von dem für klassische Vollbahnen üblichen Verfahren nach einem in der Schweiz entwickelten Regelwerk. Herr Bergmann stellt die hierfür relevanten Kenngrößen des Fahrzeugs zusammen, führt den Nachweis und bewertet Varianten vor dem Hintergrund der Einhaltung der Grenzkriterien sowie des jeweiligen konstruktiven Aufwandes.

An diese grundsätzlichen Überlegungen zur Fahrwerksanordnung und Massenverteilung schließt sich die eigentliche Fahrwerkskonzeption mit Definition der prinzipiellen Ausführung von Primär- und Sekundärstufe, Längsmitnahme und weiterer Baugruppen an. Die Ausführung des Drehgestellrahmens wird ausführlich behandelt, auf der Grundlage selbst durchgeführter Lastermittlungen erfolgt eine erste Vorauslegungen der Konstruktion. Das so erstellte Fahrwerkskonzept wird im Zusammenwirken mit dem Wagenkasten einer erneuten Entgleisungssicherheitsberechnung unterzogen, die die Machbarkeit der Konzepte bestätigt.

Fazit: Eine sehr umfangreiche und sachkundig erstellte Arbeit, die dem Leser einen hervorragenden Einblick in die Auslegung von Zahnrad-Triebdrehgestellen verschafft. Da hier ein konkretes Entwicklungsprojekt behandelt wird, ist die Praxisnähe offensichtlich.

Sehr geehrter Herr Bergmann, ich freue mich, Ihnen die Urkunde für die Preisverleihung überreichen zu können.

 


 
Die Dissertation von Herrn Dr. Kleiner entstand während seiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Konstruktion im Maschinen- und Apparatebau der Technischen Universität Kaiserslautern und wurde betreut von Herrn Prof. Dr.-Ing. Christian Schindler. Zweitgutachter war Herr Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht vom „Institut für Land- und Seeverkehr” der TU Berlin. Die bibliografischen Angaben sind:
 
  Kleiner, Otto
„Numerische und experimentelle Untersuchung der Rad/Schiene-Interaktion unter Berücksichtigung mechanischer und thermomechanischer Effekte”
KIMA Schriftenreihe, Band 7
Lehrstuhl für Konstruktion im Maschinen- und Apparatebau,
Technische Universität Kaiserslautern, 2012
ISBN 978-3-941438-88-0
 
Kurzzusammenfassung:
Numerische und experimentelle Untersuchung der Rad/Schiene-Interaktion unter Berücksichtigung mechanischer und thermomechanischer Effekte
Für ein umfassenderes Verständnis der Materialbeanspruchung in Rad und Schiene wurden im Rahmen dieser Arbeit verschiedene numerische und experimentelle Untersuchungen und Überlegungen durchgeführt.
Mithilfe der Finiten Elemente Methode (FEM) wurden die Spannungszustände innerhalb der Berührfläche sowie im Kontinuum von Rad und Schiene analysiert. Variiert wurden hierbei unter anderem die Profilkombination, die relative Position des Rades zur Schiene, die Radlast, der Raddurchmesser sowie das zugrunde gelegte Materialmodell. Untersucht wurden die beiden Profilpaarungen S1002 (Radprofil) und 60E1 bzw. 60E2 (Schienenprofil). Auch thermisch induzierte Spannungszustände durch Bremsvorgänge fanden teilweise Berücksichtigung, wobei hier der Fokus auf klotzgebremste Güterwagenräder gelegt wurde.
In experimentellen Untersuchungen wurde die Kontaktflächenform und -größe in Abhängigkeit der Profilkombination, der Radlast und der relativen Rad/Schiene-Position ermittelt. Diese Messgrößen wurden unter betriebsnahen Belastungen am maßstabsgetreuen Rad/Schiene-Prüfstand ermittelt. Des Weiteren wurde ein Verfahren zur experimentellen Bestimmung der Spannungsverteilung innerhalb der Kontaktfläche mithilfe von Druckmessfolien hergeleitet.
 
* * * *
 
Seine Diplomarbeit hat Herr Bergmann in der Zeit von Mai bis Sept. 2012 an der Universität Stuttgart angefertigt. Die Arbeit wurde betreut durch Herrn Prof. Dipl.-Ing. Dieter Bögle, Lehr- und Forschungsgebiet „Schienenfahrzeugtechnik” am „Institut für Maschinenelemente”.
 
Kurzzusammenfassung:
Konzeption eines Triebdrehgestells für den neuen Triebwagen der Zahnradbahn der Stuttgarter Straßenbahnen AG
In der Diplomarbeit wurde ein Triebdrehgestell für neu zu beschaffende Zahnradtriebzüge mit Niederfluranteil für die Stuttgarter Straßenbahnen AG konzipiert. Gegenüber herkömmlichen touristischen Zahnradbahnen wird diese Bahn im regulären öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt und verläuft durch das Stadtgebiet. Die große Herausforderung lag in einer möglichst geräuscharmen Konstruktion, damit die anliegenden Bewohner vor allem in den Tagesrandlagen nicht durch den Lärm der Zahnradbahn belästigt werden. Daher wurden sämtliche Elemente, die Körperschall und Vibrationen produzieren, vor allem der Zahnradantrieb, mit Hilfe von federnden Elementen vom Drehgestellrahmen entkoppelt.
Bevor mit der Konstruktion begonnen werden konnte, war es erforderlich, alle auf das Drehgestell wirkenden Randbedingungen zu untersuchen, z. B. musste mit der Aufsichtsbehörde das der Konstruktion zugrunde liegende Regelwerk abgestimmt werden. Im nächsten Schritt wurden eine Zahneingriffsuntersuchung zur Bestimmung des Raddurchmessers und dessen Verschleißmaßes, eine Lichtraumprofiluntersuchung sowie eine Gewichtsabschätzung des kompletten Triebwagens zur Dimensionierung des Drehgestells durchgeführt. Die Realisierbarkeit wurde daraufhin mit einer Stabilitäts- und Entgleisungssicherheitsberechnung überprüft.
Um die Fertigungs- und Entwicklungskosten gering zu halten, wurde nach dem Baukastenprinzip ein bereits vorhandener Zahnradantrieb verwendet und auf die Bedingungen der Stuttgarter Straßenbahnen angepasst. Da seit dem Jahre 2010 eine neue Schweißnorm gültig ist, wurde der Drehgestellrahmen in dieser Arbeit komplett neu entwickelt. Es wurde insbesondere auf eine gewichtssparende und möglichst einfach zu schweißende Konstruktion geachtet.
Das in dieser Arbeit konzipierte Zahnrad-Triebdrehgestell befindet sich auf dem neuesten Stand der Technik und bietet einen hohen Fahrkomfort bei gleichzeitig geringer Lärmemission.
 
[zurück]   [Seitenanfang]