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Laudatio anlässlich der Beuth-Preisverleihung 2015
 
Inhalt der Rede von Herrn Dipl.-Ing. Hans Peter Lang, Vorsitzender des Beuth-Ausschusses der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Frankfurt am Main am 23. Okt. 2015 anlässlich der Verleihung des Beuth-Innovationspreises 2014
 

 

In seiner Laudatio wies der Vorsitzende des Beuth-Ausschusses, Herr Hans Peter Lang, einleitend darauf hin, dass er bereits im vergangenen Jahr die von Jahr zu Jahr sehr stark schwankende Anzahl der eingereichten Arbeiten erwähnt habe. Er freue sich daher, dass im letzten Jahr sieben Arbeiten zur Bewertung vorgelegt wurden. Es freue ihn weiterhin insbesondere, den Tagungsteilnehmern eine sehr interessante Diplomarbeit vorstellen zu können.

Es handele sich hier um eine sehr praxisorientierte Arbeit, deren Ergebnisse auch bereits im Tagesgeschäft genutzt werden. Worum geht es hier?

Herr Felix Kröger hat seine Diplomarbeit mit dem Titel „Modellierung und Implementierung der Schienenkonditionierung auf einem Gleitschutzprüfstand” der Bremstechnik gewidmet. Auch heute noch nach circa 180 Jahren Eisenbahnbetrieb in Deutschland, gibt es immer wieder neue Herausforderungen im Fachgebiet der Bremse. Leichte Fahrzeuge, hier vor allem Triebzüge des Nahverkehrs, und kritische Schienenverhältnisse mit extrem niedrigem Kraftschluss stellen hohe Anforderungen an die Bremstechnik, um auch unter diesen Randbedingungen den Betrieb sicher und restriktionsfrei abzuwickeln.

Vor einigen Jahren wurden im Herbst Bremsprobleme mit leichten Regionaltriebwagen öffentlich, weil zur Gewährleistung sicherer Bremswege mit betrieblichen Restriktionen vor allem mit Geschwindigkeitsbegrenzungen massiv in den Fahrplan eingegriffen werden musste. Und derartige Probleme gab es nicht nur in Deutschland. Auch aus dem Ausland sind Bremsprobleme unter extremen Kraftschlussbedingungen bekannt. Treten sie auf, wird auch hier massiv in den planmäßigen Betriebsablauf eingegriffen.

Natürlich gibt es inzwischen quasi einen ganzen Katalog von sinnvollen Maßnahmen, die sich in Nutzen und Aufwand, aber auch im Hinblick auf ihre Wechselwirkungen mit der Infrastruktur unterscheiden. Gezielte Schienenpflege in kritischen Jahreszeiten, kraftschlussunabhängige Zusatzbremsen, wie zum Beispiel Mg-Bremsen, gezieltes Sanden zur Verbesserung der Kraftschlussverhältnisse, aber auch die Optimierung des Gleitschutzes moderner Fahrzeuge sind dabei wesentliche Hebel.

Vor einiger Zeit wurden im Fahrversuch vergleichende Untersuchungen zwischen mit Mg-Bremse ausgerüsteten Fahrzeugen und solchen mit optimiertem Gleitschutz und gezielter, wohldosierter Sandausbringung bei unterschiedlichen Kraftschlussverhältnissen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass allein schon ein optimierter Gleitschutz zu betrieblichen Bremswegverkürzungen führen kann. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Konditionierung der Kraftschlussverhältnisse durch gezieltes Eindringen von Energie in die Berührfläche von Rad und Schiene. Kurz: Makroschlupf erhöht den Kraftschlussbeiwert.

Es galt nun, diese eher grundsätzliche Erkenntnis auch theoretisch zu durchdringen und Wege zu finden, diese Effekte auch zu nutzen. Dazu gehört, die Auslegung von Gleitschutzsystemen durch effizientere Simulations-Werkzeuge und Prüfstandseinrichtungen zu unterstützen. Fahrten auf der Strecke, die schon wegen der erforderlichen Präparierung der entsprechenden Versuchsabschnitte sehr aufwendig sind, sollten somit lediglich dem Nachweis dienen. Die Auslegung hingegen erfolgt rechnerisch und prüfstandsgestützt.

Genau für diese Herangehensweise schafft die Arbeit von Herrn Kröger die Voraussetzungen.

An einem Gleitschutzprüfstand werden die bremstechnischen Eigenschaften unter definierten und vor allem reproduzierbaren Randbedingungen simuliert. Neben einer exakten Abbildung der Bremskonstruktion ist es erforderlich, den Rad/Schiene-Kontakt realistisch abzubilden. Was bislang fehlte, war die Modellierung des bereits beschriebenen Konditionierungseffektes. Ziel der Arbeit von Herrn Kröger war es nun, ein mathematisches Modell für den Konditionierungseffekt zu entwickeln, dieses in das Simulationsmodell des Gleitschutzprüfstandes zu implementieren und anhand der Erfahrungen aus realen Fahrversuchen zu validieren.

In seiner Arbeit beschreibt Herr Kröger zunächst die Grundlagen der Bremstechnik, sowohl des pneumatischen Teils als auch der mechanischen Einrichtungen und der Funktionsweise von Gleitschutzeinrichtungen. Anschließend werden Anwendungsbereich und Aufbau eines Gleitschutz-Prüfstandes beschrieben. Der Gleitschutzprüfstand, als klassischer Hardware-in-the-loop-Prüfstand, ermöglicht bremstechnische Untersuchungen von Gleitschutzsystemen ohne aufwendige Streckenversuche. Dazu wird der zu untersuchende Gleitschutz in einen geschlossenen Regelkreis integriert. Der Regelkreis besteht aus der Pneumatik, die die realen Komponenten des Bremssystems eines Fahrzeugs abbildet, einem so genannten Antriebsschrank, bestehend aus Drehstromasynchronmotoren, die das Verhalten der Radsätze nachbilden und dem Simulationsmodell, mit dem die Radsatzdrehzahlen ermittelt werden. Hierzu ist die Abbildung des Rad/Schiene-Kontaktes erforderlich. Bislang war dort eine statische Kraftschluss-Schlupf-Kennlinie hinterlegt, die zwar in ihrem Niveau längs der Simulationsstrecke verändert werden kann, um wegabhängige Kraftschlussschwankungen abzubilden. Nicht möglich war die Abbildung von Konditionierungseffekten, bei denen durch den in die Radaufstandsflächen eingebrachten Schlupf die Kraftschlussverhältnisse verändert werden. Das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte Modell zum Konditionierungseffekt soll nun, aufbauend auf den bislang verwendeten statischen Kraftschluss-Schlupf-Berechnungen, in die Prüfstandssimulation integriert werden. Die Veränderung der Kraftschlussverhältnisse durch den Energieeintrag in die Berührflächen von Rad und Schiene sind damit Teil des Regelkreises und beeinflussen so das bremstechnische Verhalten des jeweiligen Prüfstandsaufbaus.

In seinem Modellentwurf für den Konditionierungseffekt analysiert Herr Kröger die schlupfabhängige Temperaturerhöhung in der Berührfläche Rad/Schiene, die Wärmeleitung von Rad und Schiene und schließlich die Viskosität der Zwischenschicht, exemplarisch für Wasser, Öl und Seifenlösungen. Sehr interessant ist hier die Diskussion eines Modells der Zwischenschichthöhe in der Kontaktfläche, die die Kraftschlussverhältnisse maßgeblich bestimmt. Der Einfluss von Radaufstandskraft und Oberflächenrauigkeit von Rad und Schiene auf die Verdrängungseffekte wird ebenfalls berücksichtigt. Dem Ergebnis liegt ein mathematisches Modell zur Berechnung der Konditionierungseffekte vor, das auf vorhandenen Arbeiten aufsetzt, aber erkannte Unzulänglichkeiten durch eigene Herleitungen ersetzt.

Gratulation zum Beuth-Preis 2015Dieses Modell wird nun mit dem Simulationsmodell des Prüfstandes verbunden. Zur Validierung erstellt Herr Kröger einen Prüfplan, der simulierte Bremsversuche auf Seifenlösung und Öl sowie unterschiedliche Fahrzeugkonfigurationen und Bremsausgangsgeschwindigkeiten vorsieht. Als Referenz dienen simulierte Trockenbremsungen. In Parameteruntersuchungen wird der Einfluss der Fahrzeugmasse, der Schlupfgeschwindigkeit, des Zwischenmediums, der Bremsausgangsgeschwindigkeit, der Oberflächenrauigkeit und von Radsatzstillständen auf die Bremswegverlängerung – bezogen auf die Trockenbremsung – analysiert.

Diese Untersuchungen sind logisch aufgebaut und sauber beschrieben. Selbstkritisch werden auch die Grenzen der Simulation herausgearbeitet. Dennoch: Die Ergebnisse der Prüfstandssimulation zeigen eindeutig, dass mit diesem Modell die Nachbildung des Konditionierungseffektes gelungen ist. Dieses Modell ist nun Bestandteil des Gleitschutzprüfstandes. Ein gezielter Vergleich der Prüfstandsergebnisse mit Streckenfahrversuchen steht noch aus. Dies wird das Thema einer weiteren Abschlussarbeit sein, die derzeit in Vorbereitung ist. Herr Kröger wird sie begleiten.

Fazit: Eine gelungene Arbeit, gut strukturiert und logisch aufgebaut, theoretisch unterlegt und praxisbezogen.

Die Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft – Forum für Innovative Bahnsysteme – habe daher auf Vorschlag des Beuth-Ausschusses beschlossen, Herrn Felix Kröger einen Geldpreis von 3.000 EUR zuzuerkennen. Herr Lang freue sich, Herrn Kröger nun den Beuth-Innovationspreis verleihen zu können.
 

 

 
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