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Laudatio für Dipl.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Dieter Ludwig
 
(Die Laudatio anlässlich der am 13.10.2006 erfolgten Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille an Herrn Dr. Ludwig wurde veröffentlicht in dem Aufsatz
 
  Güldenpenning, Axel:
Jahrestagung 2006 der DMG in Kassel
ZEVrail Glasers Annalen 131 (2007) Nr. 1/2, S. 4/16, insbes. S. 12/13.
 
Die nachfolgende Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Georg Siemens Verlag GmbH & Co. KG, Berlin.)
 
Inhalt der Rede von Herrn Prof. Dr.-Ing. Adolf Müller-Hellmann, Mitglied des Gesamtvorstandes der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Kassel am 13. Okt. 2006 anlässlich der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille
 

 

Dieter Ludwig wurde 1939 in Dortmund geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Karlsruhe Bauingenieurwesen und trat nach erfolgreichem Abschluss der Diplomhauptprüfung 1965 als Baureferendar in den Dienst der DB. Von 1967 bis 1971 war er als Beamter des höheren Dienstes bei der damaligen Deutschen Bundesbahn tätig. 1971 wechselte Herr Ludwig als Planungsingenieur zu den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK). Eine Entscheidung, die für seine weitere erfolgreiche berufliche Laufbahn Richtung weisend sein sollte. Bereits im Alter von 36 Jahren wurde der rhetorisch begabte Visionär 1976 zum Werkleiter und Betriebsleiter berufen. Zwei Jahre später übernahm er auch die Geschäftsführung und Betriebsleitung des Schwesterunternehmens Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG).

Die AVG war im Jahr 1957 gegründet worden mit dem Ziel, die schmalspurige Albtalbahn zu übernehmen. Von 1957 bis 1966 wurde die Strecke auf Normalspur umgebaut und mit dem Gleichspannungssystem der VBK betrieben.

Die Schwachstellen des Schienenpersonen-Nahverkehrs im Raum Karlsruhe waren bis zu diesem Zeitpunkt gewesen: Weit von der eigentlichen City entfernte Bahnhöfe und schwierige oder keine Umsteigemöglichkeiten auf die städtischen Verkehrsmittel, wie zum Beispiel die Straßenbahn. Mit der Realisierung der Albtalbahn konnten erstmalig umsteigefreie Zugverbindungen aus dem südlichen Umland in die Innenstadt Karlsruhes angeboten werden.

Der große Erfolg der Albtalbahn führte dazu, dass nun weitere Planungen betrieben wurden, auch das nördliche Umland durch eine moderne Straßenbahn bzw. Stadtbahn anzubinden. Herr Ludwig hat sich von Anfang engagiert dieser Planungen angenommen und diese erfolgreich umgesetzt. Die Frage „Was nützt dem Kunden?” war stets die Leitlinie seines Handelns. Hierzu wurden Verhandlungen mit der DB aufgenommen, um die nur noch für den Güterverkehr genutzte Strecke Karlsruhe-Eggenstein-Neureut-Leopolshafen mit zu benutzen. Nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen und dem Bau einer Verbindungsstrecke konnte 1979 der Straßenbahnbetrieb nach Neureut aufgenommen werden. 1986 und 1989 wurde die Stadtbahn bis Leopoldshafen und Hochstetten verlängert. Auch diese Aktion war ein voller Erfolg.

Dr. Ludwig ist vor allem bekannt und berühmt geworden als der Initiator und Vater des Karlsruher Modells, nämlich durch die Einführung eines Zweisystem-Stadtbahnverkehrs bei der AVG als bundesweit erstes Unternehmen. Die Züge sollten als S- oder Regional-Bahn von entfernten Orten bis an die Stadtgrenze fahren und dann als Straßenbahn weiter verkehren, um anschließend wieder das Umland zu bedienen und das ohne Umsteigen. 1992 konnte Herr Dr. Ludwig eine Straßenbahnlinie aus der Stadt Karlsruhe heraus unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur ins Umland nach Bretten verlängern. Das entscheidende Novum und zugleich auch sein Meisterstück, mit dem Herr Ludwig in der ganzen Fachwelt bekannt wurde, war aber die Entwicklung der so genannten Zweisystem-Stadtbahn. Unter seiner Leitung wurde eine solche Zweisystem-Stadtbahn in den 80er Jahren mit finanzieller Unterstützung des damaligen Bundesforschungsministeriums bis zur Serienreife entwickelt. Die neuen Zweisystem-Stadtbahnfahrzeuge für 750 Volt Gleichspannung und 15 kV, 16,7 Hz Wechselspannung kamen hier erstmalig zum Einsatz. Leider müsse man hierbei auch erwähnen, dass Herr Ludwig auf Seiten der DB erhebliche Widerstände überwinden musste, bis es endlich soweit war. Aber mit der ihm eigenen Zähigkeit und Tatkraft habe er sich auch hier durchgesetzt.

Die Bahnverbindung Bretten-Karlsruhe diente 1992 als Pilotstrecke. Die Stadtbahn fährt von Bretten bis Grötzingen auf der vorhandenen Eisenbahnstrecke, geht dort auf eine neu gebaute Verbindungsstrecke über und wechselt beim Bahnhof Durlach in das bestehende Straßenbahnnetz. Man kann somit umsteigefrei ins Zentrum Karlsruhes fahren.

Der Erfolg dieses Pilotprojektes aufgrund des technischen Durchbruchs beim Zweisystembetrieb habe selbst Dieter Ludwig überrascht. Die Fahrgastzahlen stiegen um ein Vielfaches an und übertrafen alle Prognosen. Darüber hinaus sei eine äußerst positive Kettenreaktion in Gang gekommen. Musste er früher wie ein Missionar durch Gemeinderäte und Kreistage ziehen, seien in der Folge Landräte und Bürgermeister aus dem Großraum Karlsruhe bei Herrn Ludwig Schlange gestanden mit dem Wunsche, möglichst schnell an sein Stadtbahnsystem angeschlossen zu werden. Und dies trotz teilweise erheblicher finanzieller Beteiligung bei den in der Regel erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen. Aber dies sei natürlich zugleich auch der verdiente Erfolg der außergewöhnlichen verkehrspolitischen Marketingfähigkeiten von Herrn Ludwig gewesen.

Innerhalb weniger Jahre wurde das Schienennetz unter weitgehender Nutzung der vorhandenen Eisenbahninfrastruktur beträchtlich ausgeweitet. Heute fahren Ludwigs Stadtbahnwagen bis nach Achern, Freudenstadt, Odenheim, Wörth (Pfalz), Öhringen (Heilbronn) und sogar bis Bietigheim-Bissingen vor den Toren Stuttgarts. Hierbei habe zum Beispiel das Erscheinen von Straßenbahntriebwagen auf der Rheintalstrecke anfänglich bei den Triebfahrzeugführern der ICE-Züge zu Irritationen geführt. Aber heute sei dies alltägliche Normalität.

Auch beim Ausbau des Streckennetzes habe sich Herr Ludwig weiterhin für Kosten sparende, innovative Lösungen engagiert. So habe er bei der Elektrifizierung der Murgtalbahn die Verwendung tragseilloser Stromschienen-Oberleitungen in den Tunneln durchgesetzt.

Seit Ludwigs Amtsantritt im Jahr 1976 habe das von der Stadtbahn Karlsruhe befahrene Netz eine beispiellose Ausweitung erlebt. Die Netzlänge habe sich dabei von 80 km auf über 500 km (davon rund 400 km im Karlsruher Verkehrsverbund) in 2006 vergrößert. Die Fahrgastzahlen hätten sich vervielfacht und lägen heute im Bereich des Verkehrsverbundes bei 160 Mio. pro Jahr.

Ludwigs Idee der Verknüpfung von Eisen- und Straßenbahnstrecken habe auch international viele Nachahmer gefunden. In Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und vielen anderen Ländern gibt es zahlreiche Projekte nach Karlsruher Vorbild.

Das rastlose Engagement von Dieter Ludwig habe sich neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit auch in Aktivitäten für zahlreiche Verbände des öffentlichen Verkehrs niedergeschlagen, so war er von 1995 bis 2003 Präsident des VDV und zwischenzeitlich auch Vizepräsident der Union Internationale des Transports Publics (UITP).

Für seine Verdienste um die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs – von den Medien auch gern als „Nahverkehrspapst” bezeichnet – erhielt Ludwig zahlreiche Ehrungen. Hier seien nur einige aufgeführt, wie zum Beispiel das Bundesverdienstkreuz, die Verleihung der Heinrich-Hertz-Medaille und die Ehrenpromotion durch die Universität Karlsruhe sowie als höchste Auszeichnung die Verleihung der Ehrenbürgerwürde durch die Stadt Karlsruhe.

Insofern sei es angebracht und höchste Zeit, Dieter Ludwig auch seitens der DMG für sein großes Engagement für den Regionalverkehr auf der Schiene und hier insbesondere für die Fortentwicklung der Fahrzeugtechnik zu danken.

Die DMG verleiht daher Dieter Ludwig die Beuth-Ehrenmedaille.

 

 
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