[HomeArchivBeuth-Ehrenmedaille 2006Laudatio für Dipl.-Ing. Reemtsema] |
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Laudatio für Dipl.-Ing. Karl-Dietrich Reemtsema |
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Rede von Herrn Dr. Karl-Friedrich Rausch, Zweiter Vorsitzender der DMG, auf der DMG-Jahrestagung in Kassel am 13. Okt. 2006 anlässlich der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille |
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Sehr verehrte Damen und sehr geehrte Herren, es ist noch nicht lange her — es war im Sommer 2004 — dass wir Herrn Karl-Dietrich Reemtsema nach 35 Dienstjahren bei der Deutschen Bahn in den verdienten Ruhestand verabschiedeten. Und jeder, der Herrn Reemtsema kennt, weiß: Das ist ein echter Eisenbahner! Übrigens nicht nur von der Pike, sondern bereits von der Wiege auf, denn schon sein Vater war ein Eisenbahner. Von der Ausbildung her ein Maschinenbauer, hat er während seines Studiums an der Technischen Universität Hannover zwar kurz mit der Seefahrt geliebäugelt, wurde aber nach dem Studium wieder „aufgegleist”: Er begann im Jahre 1969 eine Ausbildung zum Baureferendar bei der damaligen Deutschen Bundesbahn, die er 1971 mit dem 2. Staatsexamen abschloss. Es folgten verschiedene Stationen in Hannover, Osnabrück, Braunschweig und Minden, unter anderem in der Fahrzeugentwicklung und als Beauftragter für Planung und Steuerung im Fachbereich Maschinentechnik. Stets an der Verbesserung und dem Fortschritt des Systems Eisenbahn interessiert, entwickelte er mit seinen Kollegen schon während der Zeit als Referent für Güterwagen patentreife Lösungen. So z. B. zur Verbesserung der Steifigkeit des Wagenrahmens von Schüttgutwagen. Da die Lösung ein zusätzliches Loch in den Verstrebung war, wurde dieses Patent scherzhaft als „Patent auf ein Loch” genannt. Ein weiteres Patent aus dieser Zeit war ein knochenförmiger Reisezugwagen, der die Kapazität des Reisezugwagens um bis zu 30 % gesteigert hätte. Herr Reemtsema übernahm später die Leitung der Entwicklung und Vorhaltung von Reisezugwagen in der Zentralen Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn. Während dieser Zeit wurde der Reisezugwagen Bvmz entwickelt, der auch maßgeblich zur Entwicklung der technischen Komponenten des ICE 1 beitrug. Viele der technischen Komponenten, wie z. B. die Energieversorgung aus der Zugsammelschiene und Komponenten der Klimaanlage fanden sich so oder in ähnlicher Form im ICE 1 wieder. In dieser Zeit — Ende der 80er Jahre — wurde auch das Rollenverständnis zwischen DB und Industrie neu definiert. Die bisher bei der DB liegende Entwicklungskompetenz und Koordinierungsfunktion zwischen den Firmen wurde zunehmend an die Industrie abgegeben und die Industrie schlüpfte somit immer mehr in die Rolle eines Generalunternehmers. Diesen Paradigmenwechsel und Prozess hat Herr Reemtsema maßgeblich mit begleitet. Parallel hat Herr Reemtsema intern unter anderem die Verbesserung des Projektmanagements über EDV-gestützte Verfahren zur Entwicklung von Reisezugwagen vorangetrieben. Vom Vorstand bekam er dann den Auftrag, die Produktion für den Bereich des Fernverkehrs aufzubauen, so dass er ab Mitte 1993 den neu gegründeten Bereich Transport und Technik im Geschäftsbereich Fernverkehr der Deutschen Bahn AG, mit den Sektionen Fahrzeugentwicklung, Zug-Bereitstellung, Rangier- und Wagenuntersuchungsdienste, Borddienste sowie dem Fernverkehrs-Fahrplan verantwortete. Schon Ende 1993 wurden unter seiner Leitung auch die Görlitzer Doppelstockwagen eingeführt. Für den Aufbau des Produktionsbereichs musste viel Pionierarbeit geleistet werden und die umfassenden Kenntnisse von Herrn Reemtsema und seinem zunächst sehr kleinen Team im Produktionsbereich waren vielfach gefordert. Vor allem in dieser Zeit wird eine weitere Eigenschaft deutlich, die Herrn Reemtsema immer ausgezeichnet hat: Er ist da, wenn er gebraucht wird, und er stellt sich seiner Verantwortung. Für viele Mitarbeiter bei der Deutschen Bahn war er eine Leitfigur. Herr Reemtsema begleitete Anfang der 1990er Jahre auch intensiv die Konzeptüberarbeitung des ICE, zu der die steilen Streckenabschnitte der Neubaustrecke Köln-Rhein/Main und die absehbaren Technischen Spezifikationen für Interoperabilität (TSI) Anlass gaben. Im Ergebnis dieser Arbeiten ergab sich der Übergang vom Triebkopfzug-Konzept (ICE 1 und ICE 2) zum Triebwagen und mit dem ICE 3 in Europa der erste Triebwagen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Seit Juni 1999 war Herr Reemtsema Vorstand Produktion der DB Reise & Touristik AG, später auch in Personalunion Vorstand Produktion der DB Regio AG sowie Bereichsvorstand für die Ressorts Fernverkehr und Produktion im Unternehmensbereich Personenverkehr. Aber Herr Reemtsema bewegte sich nicht nur auf nationalen Gleisen, sondern war auch international sehr aktiv. Z. B in der UIC oder im Rahmen früherer Besuche bei der Fa. Talgo in Spanien, in deren Folge bei der DB der Hotelzugverkehr mit mehr als 100 Talgowagen aufgenommen wurde. In Zusammenarbeit mit der Fa. Siemens hat er mittels einer Verkaufsdemonstration den ICE 1 in die USA gebracht, der sogar für drei Monate im Regeleinsatz zwischen Washington und New York verkehrte. Während seiner Ära wurde der Steuerwagen beim Fernverkehr und die Lok E 101 eingeführt sowie der Hochgeschwindigkeitsverkehr deutlich ausgebaut. So fand beispielsweise unter seiner Leitung die erfolgreiche Betriebserprobung und die Inbetriebnahme der Neubaustrecke Köln-Rhein/Main statt. Zwar konnten nicht alle Wünsche in der Fahrzeugtechnik sofort verwirklicht werden, aber gemeinsam mit der Industrie hat Herr Reemtsema an der Modernisierung, Verbesserung und Vereinheitlichung des Fahrzeugparks gearbeitet und deutliche Fortschritte erzielt. Gemeinsam mit der Industrie trieb Herr Reemtsema mit großem diplomatischem Geschick die Behebung der technischen Probleme des ICE 3 voran. Gleichzeitig wurde unter Herrn Reemtsema z. B. die Modernisierung des IC-Wagenparks maßgeblich vorangetrieben, die Ende 2004 abgeschlossen wurden konnte. Seit Oktober 2003 war Herr Reemtsema auch Mitglied der Geschäftsleitung der neu gegründeten DB Personenverkehr GmbH, verantwortete das Ressort Fernverkehr und war zugleich Vorstandsvorsitzender der DB Fernverkehr AG. In dieser Funktion war Herr Reemtsema nun auch für Marketingthemen verantwortlich. Den Widerspruch, den man hier vermuten könnte, gibt es nicht: Denn für den Ingenieur Reemtsema waren die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden stets Ausgangs- und Mittelpunkt des Handelns. Er verstand es, jederzeit das technisch Mögliche mit dem wirtschaftlich Sinnvollen zu verknüpfen. Und das Jahr 2003 war bei weitem kein einfaches Jahr für den Fernverkehr der Bahn. Aber auch hier hat er schnell gehandelt: Mit Angebots-, Qualitäts- und Serviceoffensiven auf der Marktseite sowie gleichermaßen mit Kostensenkungs- und Effizienzprogrammen auf der Aufwandsseite. Dies hat das wesentliche Fundament für noch heute gültige Stoßrichtungen im Fern- und Personenverkehr der Bahn gelegt und die Basis für den heutigen Erfolg des Fernverkehrs geschaffen. Herr Reemtsema kann mit Stolz auf die 35 Dienstjahre bei der Deutschen Bahn zurückblicken. Er hat viel für die Deutsche Bahn und insbesondere für die Eisenbahn in Deutschland geleistet, wofür wir ihm heute — auch wenn er leider nicht persönlich anwesend sein kann — herzlich danken wollen. Mit dieser Ehrung möchten wir ihm die verdiente Anerkennung entgegenbringen und ihn als Vorbild für alle im Eisenbahnsektor tätigen Menschen würdigen und hervorheben.
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