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Laudatio für Dipl.-Ing. Ruppert
 
von Herrn Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Gärtner, vorgetragen von Herrn Dr.-Ing. Eckard Martin auf der DMG-Jahrestagung in Köln am 14. Okt. 2016 anlässlich der Verleihung der Beuth-Ehrenmedaille
 

   

Meine Damen und Herren,
sehr geehrte Gäste,
liebe Freunde der DMG,

die DMG vergibt seit 1978 die Beuth-Ehrenmedaille an Persönlichkeiten aus der Industrie, von den Bahnen und von den Universitäten und Hochschulen, die sich

  • um die Stärkung der Bahnen im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern und
  • ihre Weiterentwicklung

in hohem Maße verdient gemacht haben. Mit besonderer Freude und Dankbarkeit kann die DMG heute als 60. Preisträger einen Ingenieur auszeichnen, der wie nur wenige das komplizierte „System Bahn” vom Beginn seiner Ausbildung bis zum Ende seines Berufslebens kennengelernt, verstanden und geprägt hat. Er war den Bahnen nicht nur mit Sachverstand, sondern auch mit Herzblut verbunden. Ein heute leider bei den Bahnen immer seltener anzutreffender Typ eines Ingenieurs oder Managers!

Ich spreche von Dipl.-Ing. Günter Ruppert und um ehrlich zu sein, stand diese Auszeichnung und Würdigung von Günter Ruppert im Vorstand der DMG schon längere Zeit zur Diskussion. Inzwischen ist die Zeit für die Auszeichnung mit der Beuth-Ehrenmedaille bis zur Einstimmigkeit gereift – vielleicht steht das auch im Zusammenhang mit dem Namensgeber der Medaille, der in seiner Zeit zur Durchsetzung seiner Ideen so manchen Anfeindungen, ob begründet oder unbegründet, ausgesetzt war.

Laudatoren im Gespräch   Laudatoren im Gespräch
 
Dr.-Ing. Martin (links)
Prof. Dr.-Ing. Gärtner (rechts)

 
im Hintergrund:
Dipl.-Ing. Ruppert (links)
Dr.-Ing. Krug (rechts)

Gestatten Sie, dass ich den beruflichen Werdegang von Günter Ruppert kurz umreiße.

Er wurde 1945 im sächsischen Augustusburg geboren und besuchte in Chemnitz – zwischenzeitlich von 1953 bis 1990 Karl-Marx-Stadt – die Grund- und Oberschule, die er 1963 mit dem Abitur abschloss. Es waren wohl die Gene seines Großvaters väterlicherseits, der Stellwerksmeister in Mainz gewesen war, die bei Günter den Berufswunsch Diesellokomotivschlosser aufkommen ließen, und so lernte er zunächst im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Karl-Marx-Stadt diesen Beruf, bevor er nach Dresden zum Studium der Verkehrsmaschinentechnik in der Fachrichtung Schienenfahrzeug-Konstruktion an die Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List” ging. Das Studium beendete er 1969 mit dem entsprechenden Diplom.

Im Bahnbetriebswerk Hilbersdorf begann sein Berufsleben mit dem Job eines Bearbeiters für Rationalisierung, der ihn wenig ausfüllte, und so zog es ihn – sicherlich verständlich – in den Fahrdienst; denn in seiner Begeisterung für die Eisenbahn hatte er inzwischen die Lokomotivführer-Prüfungen für alle drei Traktionsarten abgelegt. Auch die Einsatzleitung des dortigen Hilfszuges gehörte zu seinen Aufgaben.

1971 wurde Günter Ruppert zum Maschinenkontrolleur in der Reichsbahn-Direktion Dresden berufen. Zu seinen Aufgaben gehörten die Überprüfung der Lokomotivführer, die Klärung von Unfällen und die Tätigkeit als Sachverständiger vor Gerichten. Schon mit jungen Jahren ging ihm der Ruf eines ausgezeichneten Fachmannes voraus, so dass er in der Reichsbahn-Direktion Dresden zum Abteilungsleiter für „Technische Unterhaltung im Maschinendienst” berufen wurde. Da er aber „mit seiner Meinung nie hinter dem Berg halten konnte”, gab es auch Vorgesetzte, die ihm – es klingt ein wenig absurd – mangelnde Praxiserfahrung vorwarfen. So wurde er als Hauptingenieur in das Bahnbetriebswerk Dresden nach damaligem Sprachgebrauch „delegiert”, das heißt, er wurde in eine niedrigere Ebene versetzt. Seiner beruflichen Karriere tat das keinen Abbruch.

Sein Ruf als exzellenter Fachmann, Vorgesetzter und Manager führte Günter Ruppert 1983 nach Berlin in die Hauptverwaltung Maschinendienst der Deutschen Reichsbahn, deren Leitung er nach kurzer Einarbeitungszeit übernehmen konnte. Er war damit für den Einsatz und die Instandhaltung sämtlicher Triebfahrzeuge der Deutschen Reichsbahn, aber auch für die Beschaffung neuer Triebfahrzeuge verantwortlich. Zu den Beratungen lud er häufig auch Professoren seiner „alma mater” ein, um nicht nur ihren Rat zu erhalten, sondern damit diese auch aktuelle Probleme der täglichen Praxis unter dem „Siegel der Verschwiegenheit” erfuhren.

In seiner Verantwortung standen sogar die von der Reichsbahn betriebenen Ostseefähren. Ich erwähne das aus besonderem Grund; denn in dieser Zeit war eine dänische Werft mit dem Bau des neuen Fährschiffs „Saßnitz II” beauftragt worden, dessen termingerechte Fertigstellung durch Streiks und Konkurs nicht zu realisieren war. Da das in der DDR ein Politikum bedeutete, musste Ruppert „mit dem Herz in der Hose” zum Rapport beim Verkehrsminister. Dieser fand nach Rupperts Bericht eine überraschende Lösung; denn mit der Pönale konnte nicht nur dieses Schiff auf einer anderen Werft fertiggestellt, sondern sogar ein zweites Schiff finanziert werden.

Die politische Wende in der DDR führte zu einer sehr schnellen, unbürokratischen Zusammenarbeit zwischen dem Management der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn. Der von einem auf den anderen Tag dramatisch gestiegene Reiseverkehr zwischen Ost- und Westdeutschland war auch auf der Schiene zu organisieren. Komplexe Aufgabenstellungen, operative Tagesthemen und unzählige Detailprobleme mussten pragmatisch angepackt, schnell und unbürokratisch gelöst werden. Auch in Berlin änderte sich über Nacht die Verkehrssituation. Die Berliner S-Bahn, die im Ostteil der Stadt ebenfalls Günter Ruppert unterstand, hatte neue Herausforderungen zu bewältigen.

Dass diese besondere Situation und die sich daraus ergebenden Aufgaben beherrscht und bewältigt wurden und – wie allgemein bekannt – heute als gelungen bewertet wird, ist auch der Entschlusskraft und dem persönlichen Standing von Günter Ruppert zu verdanken und sein besonderes Verdienst!

In dieser Zeit trat ein weiteres Problem bei der Deutschen Bundesbahn zu Tage: ein eklatanter Mangel an Lokomotiven und Fahrpersonal. Das konnte unter tatkräftiger Mithilfe von Günter Ruppert behoben werden; denn die Reichsbahn-Lokomotiven und das zugehörige Personal kamen kurzfristig deutschlandweit zum Einsatz. Im Übrigen laufen diese Lokomotiven auch heute – nach immerhin 25 Jahren – zum Teil noch in ganz Deutschland.

Günter Ruppert galt bei seinen Mitarbeitern zwar als strenger, aber stets gerechter Chef und so spricht viel für seine menschlichen Qualitäten, wenn sich seine Mitarbeiter in der Zeit des politischen Umbruchs mit einer Petition für Günter Ruppert aussprachen und einsetzten.

Der bisher geschilderte berufliche Werdegang von Günter Ruppert ist untrennbar mit dessen Ruf als exzellenter Ingenieur verbunden. Nur drei Beispiele sollen das verdeutlichen:

  • Den wenigen heute noch verbliebenen Dampflokomotivexperten ist die Steuerung mit den Kolbenschieber-Bauarten Schulz und Trofimoff sicher ein Begriff. Ein Schieber der Bauart Ruppert, obwohl in einem Lehrbuch erwähnt, ist weitgehend unbekannt. Dazu muss man wissen, dass in Rupperts Tätigkeit bei der Reichsbahn-Direktion Dresden auch die Zuständigkeit für die damalige Pionier- und heutige Parkeisenbahn mit einer Spurweite von 381 mm fiel. Diese betrieb zwei Dampflokomotiven, die durch einen unruhigen Lauf auffielen. Nach persönlicher Analyse der Ursachen, wie Winkelfehler und zu große Lagerspiele, konnte Günter Ruppert durch Anpassung der Trofimoff-Schieber an die 1925 von Krauss-Maffei gebauten Liliput-Lokomotiven der Bauart Martens das Problem für immer lösen. Ohne sein Wissen erhielt diese Modifizierung seinen Namen.
  • In die Zeit seiner Dresdner Tätigkeit fiel auch die betriebliche Erprobung der neuen elektrischen Lokomotiven der Baureihe 250, heute Baureihe 155, auf der Steilstrecke im Tharandter Wald. Die Lokomotive besaß erstmals eine elektronische Steuerung mit Geschwindigkeits- und unterlagerter Zugkraftregelung, einem Prinzip, das auch bei heutigen Lokomotiven zur Anwendung kommt. Natürlich gab es 1974 eine Reihe von „Kinderkrankheiten” dieser Steuerung, zu deren Lösung Günter Ruppert aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrungen im Fahrdienst beitragen konnte.
  • Ich mache noch einen Zeitsprung in die Mitte der 1990er Jahre, Günter Ruppert war schon als Vorstand der Berliner S-Bahn tätig. Es musste eine Lösung für einen stabilen, verschleißarmen Lauf der neuen S-Bahnzüge auf der erstmals mit fester Fahrbahn ausgerüsteten Strecken der Stadtbahn gefunden worden. Eine unkonventionelle Änderung des Spurmaßes fand schnell und unbürokratisch seine Zustimmung.

Diese ausgewählten Beispiele belegen den Günter Ruppert voreilenden Ruf, „wenn es ein technisches Problem gibt, kann er es lösen”. Herr Günter Ruppert war immer zuerst Ingenieur, das bestimmte seine Haltung und Arbeitsweise.

Nun komme ich zu einem Lebensabschnitt des heute zu Ehrenden, der vielen von Ihnen bekannt sein dürfte: Seine Tätigkeit bei der Berliner S-Bahn. Die Bundesregierung hatte sich mit der Einheit Deutschlands verpflichtet, die Berliner S-Bahn in ihrer Ausdehnung vor dem Mauerbau 1961 mit den aktuellen technischen Standards wieder aufzubauen und zu finanzieren. In Politik und Medien war die Berufung eines Geschäftsführers ohne bahntechnische Prägung für die 1995 gegründete S-Bahn Berlin GmbH sehr umstritten. In dieser Situation rief der damalige Vorstandsvorsitzende der neu gegründeten Deutschen Bahn AG Günter Ruppert an, ob er sich die Aufgaben eines technischen Geschäftsführers der S-Bahn zutraue. Dessen Antwort: „Wenn Sie sich das trauen!” Unvergessen ist in diesem Zusammenhang auch die Äußerung dieses Vorstandsvorsitzenden bei einem Forum an der Technischen Universität Berlin: „Der S-Bahn-Geschäftsführer hat das Glück, einen wahren Bahnkenner an seiner Seite zu haben.” Ich mache es kurz, es wurde eine sehr gedeihliche Zusammenarbeit in der Chefetage der S-Bahn. 1998 wurde Günter Ruppert „Sprecher der Geschäftsführung” und damit Chef der S-Bahn.

Das Streckennetz der S-Bahn wuchs wie geplant und die Fahrgastzahlen stiegen in einem nicht vorstellbaren Maß innerhalb weniger Jahre um sagenhafte 63 %! Trotz der intensiven Bautätigkeit zur Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur ließ Günter Ruppert nur den Bau unter dem rollenden Rad zu. Die heute üblichen wochenlangen Streckensperrungen mögen zwar für die Instandhaltung Zeit und Kosten sparen, bringen den Reisenden aber mit Umleitungs-, Pendel- und Ersatzverkehren so viel Verdruss, dass die Gefahr besteht, sie als Bahnkunden für immer zu verlieren.

Die von Günter Ruppert veranlassten organisatorischen Maßnahmen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bewiesen eindrucksvoll die wieder gewonnene Leistungsfähigkeit der Berliner S-Bahn. Sie galt damit als eines der zuverlässigsten und beliebtesten S-Bahn-Systeme Europas. Bestrebungen, die S-Bahn aus dem Konzern der Deutschen Bahn zu lösen, widersetzte er sich energisch und mit Erfolg.

Der wirtschaftliche Erfolg der S-Bahn Berlin führte seitens des Mutterkonzerns unter dem heute noch unvergessenen Stichwort „Börsengang” zu einem erhöhten Renditedruck mit völlig überzogenen Kostensenkungsmaßnahmen. Die Auswirkungen sind allgemein bekannt.

Vorgaben und Direktiven sind Aufgaben und Leitlinien für die Verantwortlichen. Die Frage ist, wie weit kann man diesen persönlich folgen. Seinen ingenieurtechnischen Erfahrungen, seinen Bahnkenntnissen und seinem Verantwortungsbewusstsein geschuldet, konnte Günter Ruppert die verordneten Maßnahmen nicht mittragen. Mit gewisser Bitterkeit musste er daher 2007 seien Abschied nehmen. Die neue Geschäftsführung setzte das verordnete Rationalisierungsprogramm um. Das Ergebnis ist bekannt, vom Goldesel zum Verlustbringer und was noch schwerer wiegt, verärgerte Fahrgäste.

Die Laudatoren haben Günter Ruppert schon in den 1980er Jahren unabhängig von einander kennen und schätzen gelernt. In vielen Beratungen mit ihm konnte er durch sein umfassendes eisenbahntechnisches Wissen, aber auch durch seine Beharrlichkeit und Verlässlichkeit überzeugen.

An dieser Stelle soll auch die von Günter Ruppert gewährte Unterstützung des DMG-Ausschusses „Fortbildung” erwähnt werden. Seine Vorträge wie auch die ermöglichten Werkstatt-Besuche und Sonderfahrten mit der S-Bahn gaben dem Führungskräftenachwuchs bei den Seminaren fundierte Einblicke in den Bahnbetrieb.

Die DMG ehrt heute einen Ingenieur, der durch sein Wissen und Handeln einen wesentlichen Beitrag für die kontinuierliche Entwicklung des Systems Bahn leisten konnte. Diesem Ziel verbunden und stets seinen fachlichen Überzeugungen gehorchend hat er sich den konkreten Situationen gestellt und ist sich dabei immer treu geblieben.

Dafür gilt Günter Ruppert unsere uneingeschränkte Anerkennung. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute, vor allem natürlich Gesundheit.
 

Ehrenmedaillenträger Ruppert
 
Dipl.-Ing. Günter Ruppert empfängt die Ehrenmedaille,
in der Mitte der Erste Vorsitzende der DMG, Dr.-Ing. Matthias Krug,
rechts Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Gärtner
 
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